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Ein Spagat für Seelsorger

In der deutsch-polnischen Versöhnung sind vor allem kleine, alltägliche Gesten wichtig, schreibt der polnische Franziskaner Adam Maria Kalinowski OFM Conv.
Blick auf den deutsch-polnischen Grenzübergang in Ahlbeck (Vorpommern-Greifswald)
Foto: Norbert Fellechner (imago stock&people) | Die deutsch-polnische Versöhnung bleibt ein fortwährender Weg, so Adam Maria Kalinowski OFM Conv. im Gastkommentar.

Das Thema deutsch-polnische Versöhnung ist geprägt von tiefem Leid, historischen Verletzungen und einem langen, oft schwierigen Prozess der Annäherung. Es ist kein abgeschlossenes Kapitel, sondern ein fortwährender Weg, der immer wieder neue Herausforderungen und Rückschläge mit sich bringt. Besonders für Menschen, die nicht in Deutschland geboren wurden und aus unterschiedlichen Gründen hier leben, ist spürbar, dass das Verhältnis zwischen beiden Ländern heute nicht immer freundschaftlich ist. Alte Ressentiments, politische Spannungen und gesellschaftliche Unsicherheiten wirken bis heute nach.

Spürbare Unterschiede in Mentalität, Tradition und Pastoral

Trotz vieler offizieller Versöhnungsgesten zeigen sich spürbare Unterschiede in Mentalität, Tradition und Pastoral. Während die Kirche in Polen ein gesellschaftlich prägender Faktor mit starkem Rückhalt in der Bevölkerung bleibt, befindet sich die deutsche Kirche inmitten eines Wandels und der Selbstprüfung. Die polnische Seelsorge wirkt oft volksnäher, direkter und liturgisch traditioneller. Die deutsche wiederum fördert pluralistische, offene Gesprächsräume, stellt sich aber zugleich der Herausforderung konkreter und schmerzhafter Veränderungen vor Ort – besonders für ältere Generationen eine schwere Prüfung. Für mich, einen polnischen Ordenspriester, der seit drei Jahrzehnten in Deutschland lebt und wirkt, bedeutet das oft einen Spagat, um beide Realitäten zu verstehen und aus beiden das Gute zu gewinnen.

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Trotz dieser Herausforderungen liegt mir als polnischem Franziskaner viel daran, Brücken zu bauen, die Erinnerung an das Geschehene wachzuhalten und Versöhnungsarbeit im Geist des Evangeliums und im Licht des Lebenszeugnisses meines Mitbruders, des heiligen Maximilian Maria Kolbe, praktisch werden zu lassen. Diese Arbeit geschieht vor allem in kleinen alltäglichen Gesten und im seelsorgerischen Kontakt mit Deutschen und Polen. Denn nur durch nachhaltiges Verständnis und gegenseitige Wertschätzung kann der Weg der deutsch-polnischen Versöhnung und gegenseitigen Verständigung weitergehen.

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Themen & Autoren
Adam Maria Kalinowski OFM Conv. Seelsorgerinnen und Seelsorger Traditionen

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