Am 18. November, dem Gedenktag für Betroffene von sexueller Gewalt, hat der Betroffenenrat zu einer Protestaktion in Aachen eingeladen. Der Grund: Zwei Schmerzensgeldklagen scheiterten vor Gericht, als das Bistum eine „Einrede auf Verjährung“ stellte. Für den Betroffenenrat Aachen ist die Berufung auf Verjährung „unmoralisch“. Laut Manfred Schmitz vom Betroffenenrat habe das Bistum lange eine Amtshaftung von sich gewiesen. Nun erkläre es, dass es zu spät sei, Schmerzensgeldansprüche zu erheben. In einer Stellungnahme kritisierte der Rat, dass der Aachener Bischof Helmut Dieser in mehreren Gesprächen Betroffene zur Klage aufgefordert und mitgeteilt habe, die Verjährung nicht geltend zu machen. Der Rat zeigte sich außerdem enttäuscht, dass weitere Bistümer dem „schlechten Beispiel“ des Bistums Aachen gefolgt seien. In anderen Bistümern, wie Essen und Köln, haben die Bischöfe Franz-Josef Overbeck und Kardinal Rainer Maria Woelki in Schadensersatzklagen darauf verzichtet, eine Einrede auf Verjährung zu stellen. Die Protestaktion, zu der nach Angaben der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) 400 Personen kamen, unter dem Motto und Papst-Franziskus-Zitat „Ein Grund, sich zu schämen“, fand Unterstützung vom Diözesanrat und mehreren katholischen Verbänden.
Gegenüber dieser Zeitung antwortete das Bistum auf die Frage, warum das Bistum auf Verjährung bestanden habe, erklärte das Bistum, dass mit der Einrede auf Verjährung das Angebot eines Mediationsverfahren verbunden gewesen sei. Nach eigener Angabe hatte das Bistum damit den Betroffenen eine öffentliche Verhandlung ersparen wollen. Dabei hätte, nach Zustimmung von Kläger und Gericht, ein unabhängiger Mediationsrichter über eine Einigung entschieden. Dieses Mediationsverfahren scheiterte laut dem Bistum aber am Aachener Gericht – das Personal habe gefehlt.
Bistum: Dieser an Gremien gebunden
In einer Stellungnahme erklärt das Bistum außerdem, dass es bei zwei weiteren Schmerzensgeldklagen die vom Landgericht Aachen vorgeschlagenen Vergleichssummen angenommen habe. „Das Bistum hätte die Vergleichsvorschläge in allen Fällen ablehnen können, um bei der Fortführung des Gerichtsverfahrens die Einrede der Verjährung aufrecht zu erhalten. Dies ist nicht geschehen“, so das Bistum. Nur in einem Fall habe es gute Gründe gegeben, das Angebot abzulehnen. „Einzelheiten dazu sind aufgrund des laufenden Verfahrens in der Öffentlichkeit nicht geboten.“
Laut dem Bistum habe Bischof Dieser keine Wahl gehabt, als die Einrede auf Verjährung zu stellen, da er an die unabhängigen Entscheidungen des Vermögensrates und des Konsultorenkollegiums der Diözese gebunden gewesen sei. Diese beiden Gremien, die der Bischof bei bedeutenden Rechtsgeschäften über 100.000 Euro anhören müsse, hätten „jede einzelne Klage in ihrer Besonderheit unter verschiedenen Gesichtspunkten gewürdigt“ – und deshalb in einem Fall für die Einrede auf Verjährung gestimmt. „Vor Gericht dient die Verjährungseinrede dazu, das Bistum vor nicht mehr aufklärbaren Forderungen zu schützen. Die Kläger sind in einem höheren Alter und hatten ausreichend Zeit, ihre Forderungen rechtzeitig geltend zu machen“, so Christof Wellens, Mitglied des Vermögensrates im Bistum Aachen.
Wie die KNA berichtete, hatte eine Vertreterin der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) bei der Kundgebung das Bistum dazu ermahnt, ihren „moralischen Worten“ treu zu bleiben. Es sei der Eindruck entstanden, der Diözese gehe es weniger um die Betroffenen als um Geld.
Zu einem eventuellen Rücktritt Diesers von seiner Funktion als Bischofsleiter oder seinem Amt als Missbrauchsbeauftragter der DBK antwortete das Bistum: „Nicht erst seit Veröffentlichung des unabhängigen Gutachtens setzen das Bistum Aachen und Bischof Helmut Dieser die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt fort und übernehmen Verantwortung für Taten, die durch Priester in der Vergangenheit an Minderjährigen und Schutzbefohlenen begangen wurden. Sie wollen Betroffenen Mut machen, Missbrauch zu melden, etwa mit öffentlichen Aufrufen und der Nennung von Namen von Tätern und mutmaßlichen Tätern. Diese konsequente Aufarbeitung wird weiter fortgesetzt.“ DT/sdu
Die „Tagespost“ hat auch den Betroffenenrat Aachen um eine Stellungnahme gebeten und hält Sie auf dem Laufenden.
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