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„Das Mittelmeer ist ein großer Friedhof geworden“

Auf Zypern verurteilt Papst Franziskus den Umgang des Westens mit den Migranten und die allgemeine Gleichgültigkeit.
Papst Franziskus auf Zypern
Foto: Alessandra Tarantino (AP) | Die Verschiedenheit sei ein Geschenk Gottes, darum sei die Kirche eine Werkstätte der Geschwisterlichkeit, so Papst Franziskus in der Pfarrkirche des Heiligen Kreuzes.

Deutliche Worte gegen die Abschiebung und Ausgrenzung von Migranten hat Papst Franziskus auf Zypern gefunden. „Wir haben uns an diese Kultur der Gleichgültigkeit gewöhnt, die einfach wegsieht“, sagte der Papst, der in weiten Teilen seiner Rede vom vorgefertigten Manuskript abwich und frei sprach, beim Treffen mit Migranten in der katholischen Pfarrkirche zum Heiligen Kreuz in Nikosia. „Gott ruft uns auf, uns nicht mit einer gespaltenen Welt und einer gespaltenen Kirche abzufinden.“ Die Verschiedenheit sei ein Geschenk Gottes, darum sei die Kirche eine Werkstätte der Geschwisterlichkeit.

Opfer einer globalen Sklaverei

Zu den in der Kirche anwesenden Migranten aus verschiedenen Regionen Afrikas und Asiens sagte der Papst: „Ihr seid hierher gekommen, aber viele eurer Brüder und Schwestern sind auf dem Weg geblieben. Dieses Mittelmeer ist ein großer Friedhof geworden.“ Er denke an die vielen, die in die Hand von Menschenhändlern geraten sind und Opfer einer globalen Sklaverei wurden. „Das Schlimmste ist, dass wir uns daran gewöhnen – das ist eine schlimme Krankheit, gegen die es kein Antibiotikum gibt“, so der Papst.

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Er denke „an die vielen, die wieder zurückgeschickt wurden und dann in Lager geraten sind“. Papst Franziskus zog in diesem Zusammenhang einen Vergleich zu den Lagern der Nazis und Stalins: „Das Gleiche geschieht auch heute.“ Menschen würden in Lager abgeschoben und ausgegrenzt. „Das ist die Geschichte dieser hochentwickelten Zivilisation, die wir Westen nennen: Stacheldrahtzäune dienen dazu, Menschen nicht hereinzulassen, die um Freiheit, Brot und Geschwisterlichkeit bitten.“

Die vier Zeugnisse von jungen Migranten aus Sri Lanka, Kamerun, Kongo und dem Irak, die er zuvor anhörte, hätten ihn tief bewegt, meinte der Papst. Gott selbst träume von einer Welt, in der seine Kinder wie Brüder und Schwestern leben. Die Brutalität der Migration jedoch bringe die Identität in Gefahr. Franziskus wörtlich: „Wir sind keine Nummern, keine Objekte zum Katalogisieren, wir sind Schwestern und Brüder.“ Die Liebe mache frei, der Hass dagegen hinterlasse tiefe Spuren und sei ein Gift, von dem man sich nur schwer entgiften kann.

Blick auf schwierige und schmerzliche Realität werfen

Zu Beginn der Begegnung hatte der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa, zu dessen Verantwortungsbereich Zypern kirchlich zählt, dazu eingeladen, „den Blick auf die schwierige und schmerzliche Realität zu werfen, die sich im Mittelmeer abspielt“. Es gebe das Drama der Flucht, weil viele Menschen in ihrer Heimat keine Zukunft hätten. Migration sei jedoch kein lokales Phänomen, sondern ein globales. Es erfordere darum auch globale Antworten. Pizzaballa weiter: „Die Geschichte lehrt uns, dass das Errichten von Barrieren keine Lösung ist.“  DT/sba

Lesen Sie einen ausführlichen Bericht über den Besuch von Papst Franziskus auf Zypern in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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