Liebe Leserinnen und Leser,
spielen wir Gottes Spiel oder unser eigenes? Darum geht es im heutigen geistlichen Impuls. Eine spielerische Kulturgeschichte der Weihnachtspostkarte bietet außerdem unser Feuilletonchef Henry C. Brinker. Vielleicht motiviert Sie das ebenso wie mich, diese schöne Tradition nicht aussterben zu lassen!
Ein gesegnetes Fest der Muttergottes von Guadalupe!
Ihre Franziska Harter
Chefredakteurin
MIT DER BIBEL DURCH DEN ADVENT
Tageslesungen:
Jes 48,17–19
Mt 11,16–19
Glaube ist kein Spiel!
Auch heute ist Vorsicht geboten: Sind nicht auch wir manchmal so in unser kindisches Spiel verstrickt, dass wir den Ruf Gottes überhören? Von Florian Kopp
„Kindisch“ nannte Jesus die Menschen seiner Generation. Seine Zeitgenossen seien wie Kinder, die sich auf kein anderes Spiel einlassen wollen als ihr eigenes: Tanz und Totenklage, Trauung und Trauer – das passt so wenig zusammen wie Video- und Geländespiele. Und doch hätte beides seine Berechtigung – zum rechten Anlass eben und am richtigen Ort. Dass man es unmöglich immer allen recht machen kann, erleben nicht nur Seelsorger; aber vielen Leuten kann man es einfach nie recht machen.
Wer meint, die Kritiker des asketischen Johannes würden sich nun dem feiernden Jesus zuwenden, hat sich getäuscht. Sie erwarteten vielmehr, dass beide nach ihrer Melodie tanzen beziehungsweise trauern. Sie finden immer einen Grund, um den Verkünder zu kritisieren, statt sich auf dessen Botschaft einzulassen.
Hier auch zum Anhören:
Manche hörten damals nur noch auf die Melodie ihrer Gruppe, und jede Strömung hatte ihre „Follower“ und ihr Programm: Die Moralisten folgten den Pharisäern, die Revoluzzer den Zeloten, die Sadduzäer suchten den politischen Kompromiss, die Essener spirituelle Emigration. Sie alle waren so von ihrem Kurs überzeugt, dass sie den Messias und seinen Wegbereiter verkannten. Jede Gruppe war so in ihr kindisches Spiel verstrickt, dass sie Gottes Ruf überhörte.
Wie steht es aber mit unserer Generation? Dass die Fähigkeit, sich auf den anderen einzulassen und ihm zuzuhören, abnimmt, dass der Wille zu Verständnis und Dialog zu schwinden droht, ist nicht nur ein Problem der Gesellschaft – es ist auch zum Problem der Kirche geworden. Echte Synodalität könnte die verhärteten Linien aufbrechen – vorausgesetzt, alle Beteiligten würden sich neu auf Gottes Wort besinnen. „Hättest du doch auf meine Weisung gehört! Dein Heil wäre wie ein Strom und deine Nachkommen wären wie der Sand“, spricht der Erlöser durch den Mund Jesajas heute zu uns, seiner Kirche. Hören wir also auf, Glauben zu spielen, als könnte man ihn nach Belieben modellieren oder nach den Wünschen eines Publikums performen. Der Glaube ist kein Game!
Florian Kopp ist ständiger Diakon, Lehrer und Theologe.
WEIHNACHTEN IM BILD

Kunst & Karte statt Mails und Posts
Die Weihnachtskarten sind eine Erfindung des 19. Jahrhunderts – und bis heute aktuell geblieben als Zeichen der Verbundenheit Von Henry C. Brinker
Diese alte Weihnachtsgrußkarte entstand nach einem Gemälde von Elsa Beskow und zeigt Weihnachten in einem schwedischen Haus im 19. Jahrhundert. Der Brauch, im Advent Weihnachtskarten zu verschicken, wirkt so selbstverständlich, dass man leicht vergisst, wie jung er eigentlich ist. Eng verbunden mit dem Aufkommen von Druck, Porto-Postversand und Medien, ist sie eine sehr neuzeitliche Erfindung.
Erst im Jahr 1843 taucht die erste moderne Weihnachtskarte auf – entworfen im viktorianischen London. Sir Henry Cole, ein vielbeschäftigter Organisator, suchte damals eine elegante Lösung für ein ganz alltägliches Problem: Wie allen Bekannten zum Fest gratulieren, ohne unzählige Briefe verfassen zu müssen? Seine Antwort war ein kleines Stück Karton. Cole ließ den Maler John Callcott Horsley eine Karte gestalten, die eine fröhliche Familie am Tisch zeigte, flankiert von Szenen christlicher Wohltätigkeit. Darunter stand der bis heute gültige Segensgruß: „A Merry Christmas and a Happy New Year to You.“
Mit Penny Post und Farblithografie
Dass dieser unscheinbare Druck zur Erfolgsgeschichte wurde, lag an den technischen und gesellschaftlichen Umbrüchen der Zeit. Die erst kurz zuvor eingeführte Penny Post machte das Versenden erschwinglich, und die aufkommende Farblithografie erlaubte erstmals Massenauflagen farbiger Motive. Die neue bürgerliche Kultur des 19. Jahrhunderts – mit ihrem Bedürfnis nach Verbundenheit, Sentiment und Ritualen – fand in der Weihnachtskarte ein ideales Medium. Schon in den 1860er-Jahren gingen in London Hunderttausende Karten in Druck, und die Sitte schwappte rasch über den Ärmelkanal.
In Deutschland verbreitete sich die Weihnachtskarte vor allem ab den 1870er-Jahren. Dazu trug nicht nur die industrielle Druckkunst bei, sondern auch die allgemeine Verbreitung eines neuen häuslichen Weihnachtsbrauchs: Adventskranz, Christbaum und familiäre Festlichkeit bildeten den Hintergrund, in dem die Karte zum kleinen, persönlichen Zeichen der Verbundenheit wurde.
Interessant ist, wie wenig religiös die frühen Motive angelegt waren. Winterlandschaften, nächtliche Himmelsansichten, Kinderszenen – auch das bürgerliche Ideal eines friedvollen Heims stand im Vordergrund. Erst später trat die Ikonografie der Krippe und anderer biblischer, explizit christlicher Darstellungen hinzu.
Der Autor ist Feuilletonist der Tagespost.
ADVENTLICHE KLÄNGE
Mystik und Liturgie
Ein musikalischer Bogen von der Gregorianik in die Moderne: Französische Orgelmusik schafft eine visionäre Klangarchitektur als Widerschein himmlischer Botschaften Von Guido Krawinkel
Der Titel klingt geheimnisvoll: L’Orgue Mystique hat der französische Organist Charles Tournemire sein Magnum Opus genannt: die Mystische Orgel. Dahinter verbirgt sich ein Zyklus von gut 250 Stücken, allesamt auf Basis des gregorianischen Chorals komponiert: ein Vademecum des liturgischen Orgelspiels. In seiner Zeit war der eigenbrötlerische Tournemire ein Solitär, Schüler von César Franck und vorausweisend auf Komponisten wie Alain und Messiaen. Als Visionär erschuf er ungehörte Klangwelten, die hier ganz im Dienst der Liturgie stehen.
Für fast jeden Sonntag des Kirchenjahres gibt es einen Zyklus von fünf Stücken. Komponiert von 1927 bis 1932 und damit für die vorkonziliare Liturgie konzipiert, stellt diese Musik auch heute noch eine Bereicherung für den Gottesdienst dar. Der faszinierende, ganz im Dienst der Liturgie stehende Zyklus eröffnet neue spirituelle Perspektiven. Er ist nicht nur von der Gregorianik inspiriert, Tournemire hat sich die ureigenen liturgischen Gesänge so zu eigen gemacht, dass seine Musik regelrecht damit verschmilzt.
Eine meditative Fantasie zum Schluss
Das Offizium zum Sonntag Gaudete, dem dritten Adventssonntag, ist das erste des Riesenzyklus. Die Melodie des Introitus („Gaudete“) wird direkt im ersten Stück prominent zitiert. Auch durch die anderen Stücke zu Offertorium, Wandlung und Kommunion ziehen sich gregorianische Motive, die Tournemire in programmatischer Absicht zerlegt, zitiert und miteinander kombiniert. Das Schlussstück zum Auszug ist kein Rausschmeißer, sondern eine meditative Fantasie.
Das hat schon damals manchen Zeitgenossen irritiert, wie eine Anekdote zeigt. Aber musikalischer und theologischer Gehalt gehen hier kompromisslos Hand in Hand, für Bling-Bling ist da kein Platz: „Als Tournemire den Auszug auf einem Bourdon im Pianissimo beschloss, näherte sich einer der Gäste unauffällig seinem Ohr und sagte ihm mit gedämpfter Stimme: ‚Maître, es handelt sich um den Auszug (Maître, c’est la sortie).‘ Der Maître schaute ihn unvermittelt an und antwortete ihm ruhig: ‚Nun gut, werter Freund, gehen Sie (Eh bien, cher ami, sortez).‘“
Der Autor ist Musikwissenschaftler und als Musikkritiker im Rheinland tätig.
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