Wie aus dem Vatikan zu erfahren ist, wird sich heute Mittag der emeritierte Papst Benedikt XVI.mit einem Brief an die Öffentlichkeit wenden. Er will damit Antwort auf zum Teil aggressive Kommentare und Anklagen geben, die nach der Veröffentlichung des Münchener Missbrauchs-Gutachtens der Kanzlei WSW wie ein Sturm durch die Medien gegangenen waren.
Der Vorwurf: Benedikt XVI. habe gelogen
Der Vorwurf lautete damals, der Emeritus habe in seiner 82 Seiten umfassenden Stellungnahme, die er mit Hilfe von juristischen Beratern zu dem Anwalts-Gutachten verfasst hatte, gelogen: Zu einer Sitzung des Münchener Ordinariats am 15. Januar 1980, in der es um die Übernahme eines Missbrauchstäters in die Erzdiözese München ging, habe der emeritierte Papst angegeben, dass er abwesend gewesen sei. Die Kanzlei konnte jedoch anhand des Protokolls der Sitzung von einer Anwesenheit von Erzbischof Ratzinger ausgehen. Schnell machte in den Medien der Lügen-Vorwurf die Runde.
Wie sich dann herausstellte, handelte es sich bei der Falschangabe um einen Übertragungsfehler. Am 24. Januar gab Erzbischof Georg Gänswein für Papst Benedikt die öffentliche Erklärung ab, dass dieser objektive Fehler „Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung“ der Stellungnahme des Emeritus war und die Aktenlage zudem dokumentiere, „dass in dieser Sitzung über einen seelsorgerlichen Einsatz des betreffenden Priesters nicht entschieden wurde“.
Gänswein kündigte ausführliche Stellungnahme Benedikts an
Gänswein kündigte an, dass der emeritierte Papst nach einem ausführlichen Studium des Gutachtens von WSW dazu Stellung nehmen werde. Ebenso forderten deutsche Bischöfe Benedikt auf, sich nochmals zu erklärten. Auch der Chefredakteur der Vatikanmedien, Andrea Tornielli, verwies am 26 Januar auf eine Erklärung, die der Emeritus abgeben werde. In der Zwischenzeit, so Tornielli, sei jedoch „die von Benedikt XVI. immer wieder bekräftigte Verurteilung dieser Verbrechen nachdrücklich zu betonen und man sollte daran erinnern, was seit seinem Pontifikat in den letzten Jahren in der Kirche getan wurde“.
Das Gegenteil geschah. Leitmedien in Deutschland, vereinzelt auch im Ausland, nahmen das Versehen der Mitarbeiter von Benedikt XVI. bei der Abfassung der Stellungnahme zum Anlass, eine beispiellose Kampagne gegen den Emeritus loszutreten, den die „Bild“-Zeitung mit der Überschrift krönte: „Wir sind nicht mehr Papst“. Beweise, dass Erzbischof Ratzinger damals im Januar 1980 einen Priester im Wissen um dessen Missbrauchstaten in den seelsorglichen Dienst seiner Erzdiözese übernommen hat, konnten weder die Kanzlei WSW noch die Medien vorlegen. DT/gho
Lesen Sie hier den persönlichen Brief des emeritierten Papstes.
Hier finden Sie den Faktencheck der Berater Benedikts.
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