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„Große und schmerzliche Entbehrungen“

Österreichs Bischöfen ist durchaus bewusst, dass ihre Rahmenordnung für die Wiederaufnahme von öffentlichen Gottesdiensten eine Zumutung ist.
Zumutung  bei Rahmenordnung für Wiederaufnahme von öffentlichen Gottesdiensten
Foto: Hans Punz (APA) | Viele, die es schon vor Corona nicht so mit der Sonntagspflicht hatten, haben die Teilnahme am Gottesdienst wohl jetzt auch nicht vermisst. Im Bild: der Wiener Stephansdom.

Mit der „Rahmenordnung der Österreichischen Bischofskonferenzen zur stufenweisen Wiederaufnahme der Feier öffentlicher Gottesdienste ab 15. Mai“ kann niemand zufrieden sein. Auch nicht die Bischöfe. Und wer das Hirtenwort aufmerksam liest, das sie am Sonntag zeitgleich veröffentlichten, spürt: Sie sind es auch nicht.

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Keine schnelle Rückkehr zu "vertrauten Formen kirchlichen Lebens"

Bezogen auf die zurückliegenden zwei Monate ist da von „großen und schmerzlichen Entbehrungen“ die Rede. Mit Blick auf die Zukunft heißt es, dass die Rückkehr zu „vertrauten Formen kirchlichen Lebens“ nicht so schnell möglich sei, „wie wir es alle im Herzen haben“. Was haben Österreichs Katholiken denn so „im Herzen“?

Realistisch betrachtet: Viele, die es schon vor Corona nicht so mit der Sonntagspflicht hatten, haben die Teilnahme am Gottesdienst wohl jetzt auch nicht vermisst. Manche haben sich mehr aus familiären denn aus religiösen Gründen über die Verschiebung von Taufen, Trauungen, Erstkommunionen und Firmspendungen geärgert.

Anders die Katholiken, für die die Sonntags- und vielfach auch die Wochentagsmesse zum Leben gehört: Da war und ist diese verlängerte Fastenzeit eine seelische und emotionale Herausforderung. Ja, auch unter Katholiken gibt es Angst vor Ansteckung, Krankheit und Sterben. Aber auch Trauer über das erzwungene eucharistische Fasten, Ärger über die Maßnahmen von Regierung und Bischofskonferenzen, Wut über die Phantasielosigkeit von Priestern, Zorn über die Ungleichbehandlung von Geschäften und Gotteshäusern.

Die Emotionen sind verständlich

Alle diese Emotionen sind verständlich. Auch die neuen Regeln für öffentliche Gottesdienste, insbesondere für die Kommunionspendung, können kritisch hinterfragt, diskutiert und in Frage gestellt werden. Doch wie immer im Leben, macht der Ton die Musik. Die Sehnsucht nach den Sakramenten wirkt authentischer, wenn Bischöfe nicht brieflich beschimpft oder des Glaubensabfalls verdächtigt werden. Andererseits: Wenn Kleriker den Gläubigen eine „Eucharistie-Fixierung“ vorwerfen, kann einen schon mal der heilige Zorn packen.

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Stephan Baier Bischof Bischofskonferenz Fastenzeit Gottesdienste Katholikinnen und Katholiken

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