Während im australischen Melbourne das Berufungsverfahren gegen den wegen sexuellen Missbrauchs in erster Instanz verurteilten Kardinal George Pell läuft, trifft dessen Umfeld bereits Vorbereitungen, um dem ehemaligen Finanzdirektor des Vatikan im Falle eines Freispruchs einen sicheren Rückzugsort zu bieten.
Risiko negativer Reaktionen im Fall eines Freispruchs sehr hoch
Berichten der australischen Zeitung „The Australian“ zufolge sei dies notwendig, da das Risiko negativer Gegenreaktionen und Drohungen gegen den Kardinal äußerst hoch sei. Solch ein „sicherer Hafen“ für den 78-Jährigen könnte demnach ein nicht näher bekannter Ort im Territorium New South Wales im Südosten Australiens sein.
Denkbar wäre aber auch, dass Pell nach Rom zurückkehrt, wo er vor Prozessbeginn gelebt und gearbeitet hatte. Seine ehemalige Position als Präfekt des Wirtschaftssekretariats der Kurie soll Pell aber definitiv nicht wieder aufnehmen. Ein Seminar in Sydney gilt ebenfalls als möglicher zukünftiger Aufenthaltsort Pells. Dort hatte er bereits das Urteil in erster Instanz erwartet.
Kardinal Pell soll in seiner Zeit als Erzbischof von Melbourne zwei minderjährige Chorknaben sexuell missbraucht haben. Er war deshalb im März zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Seine Anwälte kündigten daraufhin an, in Berufung zu gehen. Das Verfahren läuft seit Anfang Juni.
Urteilsspruch von Beobachtern kritisch kommentiert
Der Urteilsspruch gegen den ehemaligen vatikanischen „Finanzdirektor“ war von Beobachtern in australischen Medien aber auch im Ausland oft kritisch kommentiert worden. Der Tathergang sei widersprüchlich und Pell aufgrund nicht belegter Aussagen eines Zeugen schuldig gesprochen worden, lauteten die Vorwürfe. Kardinal Pell ist der höchstrangige Geistliche, der wegen sexuellen Missbrauchs zu einer Haftstrafe verurteilt wurde.
Die Chancen, dass Pell in zweiter Instanz freigesprochen werden könnte, werden indes als nicht gering eingestuft. So sprachen australische Rechtsexperten immer wieder von „guten Erfolgsaussichten“. Es sei wahrscheinlich, dass die Verurteilung Pells durch eine Jury nicht haltbar sei.
DT/mlu
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