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Südtiroler Vinschgau: Romanische Kirchen und beeindruckende Fresken

Im Südtiroler Vinschgau findet man viele romanische Kirchen und vor allem beeindruckende Fresken.
St. Kathrein Kirche in Hafling
Foto: Wullhorst | Vor einer wunderbaren Bergkulisse steht die Kirche St. Kathrein in Hafling. Dort findet man auch die bekannten Haflinger Pferde.

Die Kulturregion Vinschgau in Südtirol bietet eine Vielfalt historischer Zeugnisse aus unterschiedlichen Epochen. Dort lässt sich nicht nur hervorragend Urlaub machen. Die Besucher können entlang der alten Römerstraße Via Claudia Augusta in gut erhaltenen Burgen, Schlössern und Kirchen lebendige Schätze der Romanik entdecken.

Der im Westen Südtirols gelegene Vinschgau beherbergt gemeinsam mit dem benachbarten Engadiner Val Müstair einige der ältesten noch existierenden Kirchen und Fresken Kontinentaleuropas. Von der höchstgelegenen Benediktinerabtei Europas, dem Kloster Marienberg bis zu dem kleinen Kirchlein von St. Kathrein in Hafling, findet man auf nur 80 Kilometern mehr als 20 solcher Zeugen aus Stein. Auf den alten Pilger- und Handelswegen entwickelten sich kulturelle und künstlerische Zentren. Sie stellen noch heute einen einzigartigen Schatz erhaltener romanischer Kultur dar.

Durch Rundbögen geprägt

Im Gegensatz zu der zum Himmel strebenden Gotik ist die Romanik durch die Rundbögen geprägt, die ihre Architektur ausmachen. Schon in der altrömischen Architektur nutzte und perfektionierte man diese Bauform, bei der keilförmige Steine verwendet werden, die man radial aneinandersetzt. Eine entscheidende Rolle für die Stabilität setzt dabei der Schlussstein im Scheitel des Rundbogens. Typisch für die romanische Baukunst sind neben den Rundbögen dicke, festungsartige Mauern und kleine Fenster. In der Anfangszeit wurden die Gotteshäuser oft mit flachen Holzdecken geschlossen. Später entstanden zunehmend gespannte Tonnen- oder Kreuzgratgewölbe. Zeitlich lässt sich der Beginn der romanischen Architektur in Europa auf die Mitte des zehnten Jahrhunderts datieren. In Frankreich wird sie 200 Jahre später von der Gotik abgelöst, in Spanien, Italien und nördlich der Alpen geschieht das erst im Laufe des 13. Jahrhunderts. In der romanischen Kunst findet man ein Abbild des Weltengefüges, wie es sich die Menschen ihrer Zeit vorstellten. Das zeigt sich nicht nur im Baustil der Kirchen, sondern insbesondere auch in der beeindruckenden Freskenausstattung, die in den Gotteshäusern oft übermalt und erst nach Jahrhunderten wiederentdeckt wurde. So wird deutlich: Der Erhalt alter Kunstwerke stand oft weniger im Mittelpunkt als der Wunsch, den aktuellen Zeitgeist abzubilden.

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Fährt man von Österreich kommend, über den Reschenpass nach Südtirol, sieht man schon nach wenigen Kilometern in der Hangmulde eines Berges das Kloster Marienberg. Seit dem zwölften Jahrhundert leben hier, in einer Höhe von 1 340 Metern, Mönche, die nach der Regel des Heiligen Benedikt von Nursia leben. Die Krypta der einstmals romanischen Stiftskirche, die im 17. Jahrhundert barockisiert wurde, stammt bereits aus dem Jahre 1160. Hier findet man wunderbare romanische Fresken, die erst im Jahre 1980 wieder freigelegt wurden. Sie zeigen eine Himmelsvision mit Engelsdarstellungen, die als eines der schönsten Zeugnisse romanischer Kunst im Alpenraum gelten.

Marktrecht seit 1291

Wer auf seiner Reise in das Mittelalter eintauchen möchte, der kann das in Glurns, der kleinsten Stadt Südtirols tun. Die Ortschaft erhielt bereits 1291 von Meinhard II. das Marktrecht. Dort taucht man nach dem Eintreten durch eines der Stadttore in den kleinen Gassen mit den Lauben und Plätzen in eine andere Epoche ein. Etwa 30 Kilometer weiter liegt auf einem Felsblock oberhalb der Etsch die romanische Festung Schloss Kastelbell. Die Trutzburg wird im Jahre 1238 erstmalig urkundlich erwähnt. Wirklich sehenswert ist auch die romanische Burgkapelle mit ihrem rechteckigen Altarraum. Interessant ist dabei das Freskenfragment an der Außenmauer der Kapelle.

In dem Latscher Ortsteil Tarsch finden die Besucher eine kleine romanische Kirche mit einer Flachdecke. Sie ist dem Märtyrer Karpophorus geweiht. Ganz besonders sehenswert ist dort der romanische Glockenturm, der als einer der schönsten in Südtirol gilt. Mauerblenden, Blendbögen und Schallfenster gliedern den Turm des Gotteshauses in einer bestimmten Hierarchie von unten nach oben. Urkunden belegen, dass Kaiser Friedrich um das Jahr 1214 das Gotteshaus dem Deutschen Ritterorden schenkte.

Kirche aus dem 8. Jahrhundert

Heiliger auf der Schaukel
Foto: Wullhorst | Fresko in der St. Prokulus Kirche in Naturns, das den „Heiligen auf der Schaukel“ zeigt.

Wenige Kilometer weiter auf dem Weg in Richtung Meran kommt man in den Ort Naturns. Die dortige St. Prokulus Kirche nimmt eine Sonderstellung unter den romanischen Gotteshäusern in Südtirol ein. Sie gilt, vermutlich im späten 8. Jahrhundert erbaut, als das wohl älteste erhaltene Bauwerk der frühchristlichen Epoche im Alpenraum. Ihren Turm im romanischen Stil erhielt die Kirche erst im späten zwölften Jahrhundert. Ihre außergewöhnliche Berühmtheit verdankt die Kirche dem beeindruckenden, vollständig erhaltenen vorromanischen Freskenzyklus, der bis ins 20. Jahrhundert unter einer Schicht von aus dem Spätmittelalter stammenden gotischen Malereien verborgen war. Die Fresken zeigen unter anderem Bilder aus dem Leben Jesu. Besonders interessant ist, weil in der Sakralkunst selten zu finden, eine Abbildung, die nicht nur die Gottesmutter, sondern auch Jesus mit dem Schutzmantel zeigt, unter dem sich die Menschen versammeln. Darunter bewachen in dem Rundbogen zwei prachtvolle Engel den Altarraum. Besondere Aufmerksamkeit findet bei den Besuchern des Gotteshauses das Fresko, auf dem viele Besucher einen Heiligen auf einer Schaukel zu erkennen glauben. Wer der Heilige sein soll, ist bis heute ungeklärt: Es könnte sich um den heiligen Prokulus bei der Flucht aus Verona oder um den heiligen Paulus bei seiner Flucht aus Damaskus handeln.

Weiter geht es auf dem Weg über die Romanische Straße zur Stammburg des Landes Tirol. Das „Schloss Tirol“ thront gleichsam oberhalb der Kurstadt Meran. Dort untergebracht ist das Museum für Kultur und Landesgeschichte. Sehenswert sind die Reste frühmittelalterlicher Kirchen auf der Vorburg, die St. Pankratiuskapelle und zwei romanische Marmorportale. Das Kapellenportal symbolisiert die Erlösung der Menschen durch den Kreuzestod Christi, enthält eine außergewöhnliche Darstellung des Sündenfalls und verschiedene Fabelwesen. In der Kapelle findet man auch das älteste figurale Glasfenster Tirols.

Romanik trifft Romantik

Romanik mit Romantik verbinden kann man ausgezeichnet in dem kleinen Ort Hafling. Über eine Serpentinenstraße fährt man von Meran aus zu dem Ort hoch, der sich von 1 250 bis 1 600 Meter über dem Meeresspiegel erstreckt. Hier findet man nicht nur die nach der Ortschaft benannten berühmten Haflinger Pferde, sondern auch das vor einer wunderbaren Bergkulisse gelegene St. Kathrein Kirche. Das Gotteshaus wurde, nachdem die Vorgängerkirche im Jahre 1202 einem Brand zum Opfer fiel, im Stil der Romanik errichtet und 251 von Bischof Egno von Trient geweiht. Auch hier befinden sich im inneren der Kirche sehenswerte Fresken.

Die Straße der Romanik lässt sich übrigens zum großen Teil nicht nur mit dem Auto gut bewältigen. Im Bereich der ehemaligen Via Claudia Augusta finden Radfahrer zwischen Mals und Meran einen 80 Kilometer langen, einfach zu bewältigender Radweg, vorbei an historischen Kirchen, Burgen und Ruinen.

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