Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung

Kultur des Lebens konkret

Acht Beispiele für ein menschliches Miteinander – inspiriert von der Enzyklika „Evangelium vitae“ Johannes Pauls II. Von Josef Jung
Acht Beispiele für ein menschliches Miteinander
| ... in der Familie...

Kultur des Lebens, was ist das? Braucht man dafür einen Universitätsabschluss? Nein, denn es geht um ganz praktisches Verhalten im Alltag. Der heilige Johannes Paul II. lädt in seiner Enzyklika „Evangelium vitae“ dazu ein, „neue Zeichen der Hoffnung zu geben, indem wir bewirken, dass Gerechtigkeit und Solidarität wachsen und sich durch den Aufbau einer echten Zivilisation der Wahrheit und der Liebe eine neue Kultur des menschlichen Lebens durchsetzt“.

1. Umgang mit schwangeren Frauen und Kindern

Kinder können laut sein, schreien und quengeln. Babys machen in die Hose und Schwangerschaften verlaufen nicht immer problemlos. Aber vor diesen Dingen, die in unserer Gesellschaft oft in den Fokus gerückt werden, steht eine grundsätzliche Frage nach dem Menschen: Wie stehen wir zu Schwangerschaft und Kindern? Sehen wir erst die Sorgen und Probleme oder die Chancen und die Freude über das neue und heranwachsende Leben? Viele Schwangerschaften sind heute mit einer großen Not verbunden, weil Frauen oft – wie schon Johannes Paul II. schreibt – mit den Problemen der Schwangerschaft allein gelassen werden. Der Papst macht deutlich, dass sich „im Schicksal der Einzelnen nicht das Ergebnis einer bloßen Zufälligkeit oder eines blinden Schicksals“ vollzieht. Vielmehr sei jeder Mensch das Ergebnis eines „Planes der Liebe, in den Gott sämtliche Lebensmöglichkeiten aufnimmt“. Wer an diesen Liebesplan glaubt, wird nicht anders können, als an der Seite der schwangeren Frauen und der Kinder zu stehen. Eine der größten Taten, mit denen man Frauen in Schwangerschaften helfen kann, ist Ermutigung und Unterstützung. Es geht darum, gerade in Konflikten Ängste zu nehmen und stattdessen zu vermitteln: „Es ist schön, dass Du schwanger bist, ich stehe hinter Dir.“ Und zwar nicht bloß als Partner, sondern auch als Kollege, Bekannter, Arbeitgeber oder Freund. So schaffen wir eine wirkliche Willkommenskultur für Schwangere und Kinder, stellen die Freude am Leben über Ängste und Sorgen.

2. In der U-Bahn

Alles, was Wertschätzung und Respekt zum Ausdruck bringt, ist Zeugnis einer Kultur des Lebens. Das geht auch in der U-Bahn. Wenn eine Mutter mit mehreren Kindern einsteigt und nicht alle einen Platz bekommen, kann man für die Kinder aufstehen. Auch kann man für ältere Menschen aufstehen und ihnen beim Ein- und Aussteigen helfen. Wenn die U-Bahn übervoll ist und man das Gedränge nicht vergrößern möchte, kann man auch mal eine U-Bahn später nehmen – eine kleine Geste, die zwar niemand mitbekommt, die aber für echte Rücksichtnahme und Gelassenheit steht.

3. Am Arbeitsplatz

Ein weiteres Beispiel ist der Arbeitsplatz. Dieser ist in einer lebensbejahenden Kultur keine angstbesetzte Kampfzone, sondern ein Ort der Kollegialität: Für seine Kollegen einen Kaffee mit zu kochen, einen Kuchen zu backen, sich freundlich zu grüßen und füreinander zu interessieren, sind genau die kleinen, aber wichtigen Wege, Wertschätzung im Alltag zu vermitteln. Dem anderen zu zeigen: Ich bin froh, dass Du da bist. Das ist der Ursprung einer Lebenskultur.

4. In der Stadt

In der Stadt kann man leicht in der anonymen Masse untergehen. In „Evangelium vitae“ schreibt Johannes Paul II. davon, dass unsere Städte Gefahr laufen, „aus einer Gesellschaft von ,zusammenlebenden Menschen‘ zu einer Gesellschaft von Ausgeschlossenen, an den Rand Gedrängten, Beseitigten und Unterdrückten zu werden“. Es ist die Aufgabe der Christen, dem entgegenzustehen. Daher kann man beispielsweise die Fußgängerzone auch als Chance begreifen, „den heiligen Wert des menschlichen Lebens“ im Kleinen zu verbreiten. Anstatt sich anzurempeln, kann man ausweichen beziehungsweise sich entschuldigen, anstatt grimmig dreinzublicken, den anderen freundlich ansehen, der Mutter helfen, den Kinderwagen zu tragen und dem Obdachlosen Wertschätzung entgegenbringen.

5. Im Supermarkt

Es gibt wohl wenige Orte auf der Welt, wo Mitgefühl und Nächstenliebe mehr herausgefordert werden als an der Supermarktkasse. Hier kommt man nah mit anderen in Kontakt und es stellt sich die Frage: Sehe ich den in der Schlange vor mir als jemanden, der mich aufhält, oder sehe ich in ihm vielleicht einen Vater, der es genauso eilig hat, nach Hause zu kommen wie ich? Wie ich meinen Nächsten wahrnehme, zeigt sich auch am Einsatz des Warentrenners: Wenn man seinen Einkauf auf das Förderband legt, kann man für den nächsten Kunden den Warentrenner aufstellen. Man denkt mit, man begegnet seinen Mitmenschen mit offenen Augen und macht den einen Handschlag mehr, als für einen selbst unmittelbar nötig ist. So trivial diese Art der Rücksichtnahme auch sein mag, sie steht für eine Haltung: Du bist mir wichtig!

6. Einsatz für Bedürftige und Menschen in Not

Die Kultur des Lebens ist verbunden mit dem Glauben an den „unvergleichlichen Wert jeder menschlichen Person“ (Evangelium vitae). Deswegen geht es auch darum, etwas für die zu tun, die in Not sind, oder wegen Behinderung und Krankheit Unterstützung brauchen. So kann man bei Obdachlosencafés mithelfen oder für soziale Projekte spenden. Die Not und das Gefühl des Alleinseins sind in unserer Gesellschaft größer als oft angenommen. Man baut schon dann an einer menschlichen Gesellschaft, wenn man anderen zuhört, die einsam und alleine sind.

7. In der Familie

„Ertragt einander in Liebe“, schreibt Paulus im Epheserbrief. Brüder können untereinander rangeln, Schwestern sich anzicken, Eltern sich streiten. Das alles geht in Liebe, weil die Familie der Ort ist, an dem Geborgenheit, bedingungslose Annahme und Liebe gegeben sind. Die Berufung zur „Hauskirche“, von der Johannes Paul II. spricht, sieht in der Familie den Mikrokosmos von Kirche. Es geht darum, dass Leben in christlicher Verantwortung weiterzugeben, zusammen zu beten, zu feiern und das Leben als Geschenk zu betrachten.

Vor allem die Eltern haben die Aufgabe, ihren Kindern jene Werte zu vermitteln und vorzuleben, die sie befähigen, den „heiligen Wert des Lebens“ im Herzen zu tragen und selbst einmal weiterzugeben. „Trotz seiner Mühen, seiner dunklen Geheimnisse, seiner Leiden, seiner unabwendbaren Hinfälligkeit“ sei das Leben eine „sehr schöne Sache“, sagt der Papst – „ein immer originelles und ergreifendes Wunder, ein Ereignis, würdig mit Freude und Lobpreis besungen zu werden.“

8. Im Internet

Das Internet gilt als große Cyberwelt, in der man auch auf scheinbar anonymen Pfaden konsumieren, kommentieren und lamentieren kann. Aber auch im Netz gilt es, darauf zu achten, „den Wert und die Würde jedes Menschen als solchen anzuerkennen, ohne jede Unterscheidung von Rasse, Nationalität, Religion, politischer Meinung und sozialem Stand“ (Evangelium vitae) und sich nicht hinter seiner IP-Adresse zu verstecken. Auf Facebook, in Foren und anderen sozialen Internetseiten kann man durch positive und lösungsorientierte Kommunikation die Kultur bereichern, während man sie durch negative hinunterzieht. Was im Kleinen gelebt wird, kann im Großen zur Bewährungsprobe werden. Entsprechend ermahnt Johannes Paul II.: „Nur die Achtung vor dem Leben kann die wertvollsten und notwendigsten Güter der Gesellschaft wie die Demokratie und den Frieden stützen und garantieren.“

Themen & Autoren
1000plus

Weitere Artikel

Was von dem Antrag der Fraktion Die Linke: „Für das Leben – Das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung sichern, reproduktive Gerechtigkeit ermöglichen“ zu halten ist.
12.03.2021, 11 Uhr
Stefan Rehder

Kirche

Eine Tagung in Stift Heiligenkreuz mit Erzbischof Georg Gänswein und Kardinal Kurt Koch befasste sich mit der Relevanz des Priestertums heute. 
18.04.2024, 13 Uhr
Leander Lott