Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Japan

Japan: Kaiser, Kirchen, Gartenkunst

In Japans Metropolen trifft die architektonische Moderne auf liebevoll angelegte Gartenanlagen. Auch Zeugnisse der christlichen Mission warten auf Entdeckung.
Nijubashi-Brücke, Tokio
Foto: imago stock&people | Gartenkultur mit Tradition: Nijubashi-Brücke in der Nähe des Kaiserpalasts in Tokio.

Tradition trifft Moderne, Geschichte begegnet Gegenwart, Entschleunigung statt Rastlosigkeit. Diese Wortpaare mögen Besuchern durch den Kopf gehen, wenn sie sich auf der leicht bergauf führenden Straße umdrehen: Der Blick fällt auf riesige, größtenteils verglaste Bürotürme, die sich direkt hinter dem weitläufigen Parkgelände rund um die Kaiserliche Residenz in Tokio erheben. Vor dieser Silhouette befindet sich ein altes Wächterhäuschen in dem seit Jahrhunderten bekannten traditionellen Stil. Der an eine kleine Pagode erinnernde Bau wurde um 1870 errichtet, im Zweiten Weltkrieg zerstört und später wieder in die weitläufige Parklandschaft eingepflanzt. Mittelpunkt der Bauten auf dem gut einem Quadratkilometer großen Gelände mit acht Toren ist die Residenz des Kaisers und seiner Familie.

Es war die Zeit der Meiji-Restauration unter dem Tenno Mutsuhito, dessen Regierungszeit von 1868 bis 1912 währte: Der Sitz des japanischen Kaisers wurde nach Jahrhunderten von Kioto im Südosten der Hauptinsel Honshu rund 450 Kilometer östlich in das aufstrebende Edo verlegt, das daraufhin den Namen Tokio (östliche Hauptstadt) erhielt. Mutsuhito wählte als Regierungsmotto „Meiji“ (aufgeklärte Herrschaft). Der damalige Wandel Japans vom Feudalstaat hin zu einer modernen Großmacht legte die Grundlagen für die heutige Bedeutung des Inselstaats in der Welt.

Legendäre Gartenkunst

Auf dem hügeligen Parkgelände entstand 1968 – bewusst – ein nüchternes und funktional anmutendes Palastgebäude mit einem großen Platz davor. Zu Neujahr und am Geburtstag des Kaisers zeigt sich die imperiale Familie auf dem Balkon den mehreren Zehntausend meist per Los ausgewählten Bürgern. Für Ruhe und Ordnung bei den zweimal täglich für eine begrenzte Teilnehmerzahl durchgeführten etwa eineinhalbstündigen Führungen sorgt die ebenso strenge wie zuvorkommende Palastpolizei.

Weil auf dem Parkgelände, das die Ruinen der alten Edo-Burg birgt und weitestgehend von einem Wassergraben umgeben ist, so viele Pflanzenarten und Obstgärten angelegt worden sind, lassen sich zu jeder Jahreszeit farbenprächtige Blüten erleben: viele Sorten von Zierkirschen, Schwertlilien oder etwa Kamelien, deren Farbspektrum von Weiß über Rosa bis Dunkelrot reicht. Dazu kommen Ausblicke auf weit ausladende Laub- und Nadelbäume sowie Ginkgos. Immer wieder lassen sich Gärtner bei der Pflege der Bäume beobachten. Bis zu fünf Angestellte befinden sich auf dreibeinigen Leitern zum Beispiel in einer Schwarzkiefer, um die braunen Nadeln von oben nach unten auszuzupfen und die Zweige in Wolkenform zu schneiden. Das Kaiserliche Hofamt informiert im Internet mit einem eigenen Blumenkalender über den aktuellen naturgegebenen Sachstand.

Die legendäre japanische Gartenkunst ist in vielen Teilen Europas bekannt und wird in unzähligen Gartenanlagen umgesetzt und gepflegt. Viele auch in unseren Gefilden bekannte Pflanzen tragen den lateinischen Beinamen „Japonica“. Im Mittelpunkt der japanischen Gartenanlage steht stets der Gedanke des Wandels im Wechsel der Jahreszeiten. Leben, Tod und die kosmische Ordnung spiegeln sich in der ständigen Wiederkehr. Wer von einer der Plattformen der Hochhäuser, etwa aus dem 45. Stock des Tocho (Tokyo Metropolitan Government Building), auf die bis an den Horizont ausgedehnte Stadt – mit 37 Millionen Einwohnern gilt sie als der weltweit bevölkerungsreichste Ballungsraum – blickt, wird den Garten mit seiner kaiserlichen Residenz wie eine kleine grüne Lunge inmitten des Häusermeeres wahrnehmen.

Eine unscheinbare Kathedrale

Szenenwechsel. Mit dem Shinkansen, dem berühmten Hochgeschwindigkeitszug, sind es zwei Stunden von Tokio nach Kioto. Unterwegs steht für einige Minuten majestätisch der über 3700 Meter hohe Fuji neben der Eisenbahntrasse. Vielen gilt Japans heiliger Berg mit dem imposanten immer schneebedeckten Kragen als einer der schönsten Berge der Welt. Vom Bahnhof Kioto geht es mit dem Taxi oder öffentlichen Verkehrsmitteln zum ehemaligen Kaisersitz und dem umliegenden Kyoto Gyoen, dem Nationalgarten. Es lohnt sich aber auch, den Weg zu Fuß zurückzulegen und dabei das Nebeneinander von Jahrhunderte alten Tempeln, malerischen Gärten und nüchterner Großstadtarchitektur zu erwandern.

Lesen Sie auch:

In einer Seitenstraße der Karawamachi Street, eine der zentralen Magistralen mit dem gleichnamigen riesigen Einkaufsviertel, lohnt sich ein Besuch der St. Franz-Xaver-Kathedrale. Doch dürfen keine westlichen Maßstäbe an dieses kleine Kirchenbauwerk angelegt werden. Der schlichte Bau mit der markanten Dachkonstruktion befindet sich eher unscheinbar und unaufdringlich in einer Seitenstraße. Im Innenraum der nach dem Wegbereiter der christlichen Mission in Ostasien benannten Kirche, auch als Karawamachi-Kirche bezeichnet, fühlen sich die Besucher und Gläubigen wie unter einem Zeltdach geborgen. Hinter dem Altar ragt ein vor allem durch Blau- und Rottöne dominiertes mosaikähnliches Fenster auf. Ein Stein auf dem Altar zeigt ein Kirchenschiff, das sich zwischen Alpha und Omega auf dem Meer bewegt und dem Stern von Bethlehem folgt; darunter der aus dem Johannes-Evangelium (17, 21) entnommene Satz „Ut unum omnes sint“ (Dass alle eins seien). Seit ihrer Fertigstellung im Jahr 1972 ist die Kirche der Bischofssitz des 1951 unter Papst Pius  XII. mit der Bulle „Inter Supremi“ errichteten Bistums Kioto. Regelmäßig werden heilige Messen auf Japanisch und Englisch angeboten – auch in dem schlichten Kapellenraum, der sich neben einer Reihe von Büro- und Gemeinschaftsräumen unter der Kirche befindet. Fremde oder durchreisende Glaubensbrüder- und -schwestern werden von den hiesigen Gläubigen dieses Diaspora-Bistums stets mit größter Freude und Herzlichkeit aufgenommen.

Weniger als ein Prozent der Bevölkerung von insgesamt rund sieben Millionen Menschen in der Metropolregion Kioto gehören dem katholischen Glauben an. Während Tokyo seit 1954 das Partnerbistum des Erzbistums Köln ist, sind Kioto und die Rheinmetropole seit 60 Jahren über eine Städtepartnerschaft miteinander verbunden.

Kleine und große Oasen

Weiter geht es auf der Karawamachi Street bis in den Stadtbereich, in dem sich in früheren Zeiten die Wohngegend des Hofadels befand. Als der Tenno im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nach Tokio übersiedelte, entstand auf 65 Hektar Kyoto Gyoen, um den alten Kaiserpalast und die umliegenden Bauwerke zu erhalten. Diese befinden sich auf elf Hektar und liegen allesamt hinter langgezogenen Mauern. Dieses Areal ist nur zu bestimmten Zeiten zugänglich.

Der Nationalgarten indes – 1300 Meter misst er von Norden nach Süden, 700 von West nach Ost – ist rund um die Uhr zugänglich, um die Natur zu allen Jahreszeiten auf sich wirken zu lassen, studieren und genießen zu können. In der Dunkelheit taucht die warme Beleuchtung der eleganten Laternen beispielsweise Fächerahorn, Ginkgoblätter, immergrüne Hecken und Nadelbäume in zauberhaftes Licht und evoziert aufregende Schattenspiele.

Sich von der Natur einfangen zu lassen und in ihr aufzugehen – dieser ergreifenden Erfahrung lässt sich nicht nur in den Park- und Gartenlandschaften rund um die alte sowie aktuelle Kaiserresidenz nachspüren. Das gilt gleichermaßen für die vielen durchkomponierten kleinen und großen grünen Oasen in den Städten Kioto und Tokio.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Constantin von Hoensbroech Ulrike von Hoensbroech Bischofssitze Erzbistum Köln Glaubensbrüder Pius XII. Päpste

Weitere Artikel

Kirche

Yannick Schmitz, Referent beim Berliner Vorortspräsidium des Cartellverbandes, sieht gute Gründe dafür, dass der Verband künftig wahrnehmbarer auftritt.
27.04.2024, 13 Uhr
Regina Einig
Jesus macht sich eins mit dem Volk der Sünder - auch im Gebet, meint Papst Franziskus in einer Katechese über das Beten.
28.04.2024, 17 Uhr
Papst Franziskus