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Ulf Laessing: „Wir sollten Mali nicht Russland überlassen“

Die Bundeswehr soll in Mali bleiben, meint Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ein Abzug wäre ein Triumph für Russland.
Christine Lambrecht mit Bundeswehr-Soldaten
Foto: IMAGO/Florian Gaertner/photothek.de (www.imago-images.de) | Christine Lambrecht, Bundesministerin der Verteidigung, aufgenommen im Rahmen einer Uebung des Jaegerbataillon 292 waehrend eines Besuches im Gefechtsübungszentrum der Bundeswehr in Letzlingen.

Herr Laessing, die letzten Soldaten der französischen Antiterrormission Barkhane haben am 15. August, also am vergangenen Montag, Mali verlassen. Gegen 13 Uhr überquerten die noch verbliebenen Streitkräfte die Grenze zum Nachbarland Niger, wie die französische Armee mitteilte. Ihr Stützpunkt in Gao, wo auch 900 Bundeswehrsoldaten stationiert sind, sei an die malische Armee übergeben. Was bedeutet dies für das westafrikanische Land?

Der Abzug der Franzosen wird die Sicherheitslage in Mali verschlechtern und damit auch den Auftrag der Bundeswehr erschweren. Die französische Armee hatte Anfang 2013 Nord-Mali dem Griff der Dschihadisten entrissen und seitdem die Terroristen mit einer Anti-Terror-Mission im Schach gehalten. Die Franzosen waren die einzigen, die aktiv gekämpft haben, im Gegensatz zur Bundeswehr, die im Rahmen einer defensiven UN-Friedensmission tätig ist. In den letzten Monaten haben die Dschihadisten die Zahl ihre Anschläge deutlich erhöht, weil der Verfolgungsdruck der Franzosen nachgelassen hat: Dies ist ein Vorgeschmack auf die nächsten Monate. Die Franzosen haben auch ihre Kampfhubschrauber mitgenommen, die der Bundeswehr fehlen werden.

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Warum haben sich die Beziehungen zwischen Mali und der UN-Mission Minusma und damit der Bundeswehr verschlechtert?

Da steckt ganz klar Russland dahinter. Seit Moskau Ende letzten Jahres Militärs nach Mali entsandt hat, hat Bamako Einschränkungen für die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen wie für Fluggenehmigungen erlassen. Die Russen, unter denen sich auch Mitglieder der Söldnertruppe Wagner befinden, wollen sich nicht in die Karten schauen lassen.

"Deutschland gerät zunehmend in den Fokus,
weil die Bundeswehr der nun größte westliche
Truppensteller ist und Malis Hauptgegner Frankreich abgezogen ist"

Deutschland gerät zunehmend in den Fokus, weil die Bundeswehr der nun größte westliche Truppensteller ist und Malis Hauptgegner Frankreich abgezogen ist. Wir werden viel sichtbarer. Zudem hat Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht  Mitte Juli Mali scharf kritisiert für die Verhaftung von 49 ivorischen Soldaten, die als Wachpersonal für eine UN-Basis in Bamako eingesetzt werden sollten – dies war in der Sache richtig, hat aber Deutschland zum ersten Mal richtig in den Fokus der Auseinandersetzungen gebracht. Lambrechts Konterfei fand sich am nächsten Tagen auf den Titelseiten der malischen Zeitungen. Seitdem haben sich die Beziehungen verschlechtert und damit ist der Auftrag der Bundeswehr noch einmal schwieriger geworden.

Wird die deutsche Bundeswehr weiter in Mali gebraucht?

Die Minusma trägt bei aller Kritik dazu bei, Nord-Mali und damit den Rest des Landes zu stabilisieren. Ohne die UN-Mission und die Bundeswehr wäre ganz Nord-Mali längst der Kontrolle der Behörden entglitten und die Dschihadisten hätten sich noch stärker in der Region ausgebreitet.
Das würde mehr Migration nach Europa bedeuten. Dazu kommt: Die Bundeswehr ist zentral für die Minusma, weil die Deutschen Luftaufklärung und Rettungsflüge für Verwundete erledigen. Mit dem Aussetzen dieser Leistung letzte Woche im Streit um Fluggenehmigungen mit Mali ist die Mission kaum noch handlungsfähig. Das werden auch die Malier merken: Erst letzte Woche griffen Dschihadisten ein Camp der malischen Armee an, 42 Soldaten wurden getötet – die Bundeswehr rettete per Hubschrauber die 22 Überlebenden, unter ihnen zum Teil schwer Verletzte.

Ginge die Bundeswehr, zögen auch die anderen verbliebenen westlichen Truppensteller wie die Briten oder Kanadier ab. Deren Kontingente sind zu klein, um ohne die Bundeswehr am Standort Gao überleben zu können. Die Russen werden der Bundeswehr das Leben schwer machen – sie werden vermutlich in das frühere französische Camp in Gao einziehen, um sich also vermeintlich verlässlicherer Sicherheitspartner als die frühere Kolonialmacht anzupreisen. Aber gerade deswegen sollten wir nicht überhastet abziehen und Russland Mali überlassen. Deren 1.000 Militärs werden das Land nicht retten und ein Abzug Deutschlands wäre nach dem Abgang Frankreichs ein weiterer Triumph Russlands.

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Carl-Heinz Pierk Bundeswehr Christine Lambrecht Dschihadisten Konrad-Adenauer-Stiftung UNO Uno-Missionen

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