In der Ukraine gebe es keinerlei Bereitschaft zur Kapitulation, ist der Kiewer Historiker und Politikwissenschaftler Ihor Zhaloba überzeugt. „Wir wissen aus unserer Geschichte, was eine Eroberung durch Russland bedeutet“, sagt er im Gespräch mit der „Tagespost“. Zhaloba, der seit Kriegsbeginn an der Front kämpft und dafür seinen Lehrstuhl verlassen hat, appelliert an Europa: „Es geht nicht bloß um einen Krieg Russlands gegen die Ukraine, sondern um einen Krieg zwischen West und Ost, um einen Kampf der Zivilisationen.“ Die Menschen im Westen müssten begreifen, dass sie mit der Unterstützung der Ukraine sich selbst helfen.
„Ein Waffenstillstand würde nicht lange halten“
An einen Kompromissfrieden mit Putin glaubt der Wissenschaftler, der sich mit der sowjetischen Geschichte intensiv befasste, nicht: Putin sei 2014 nicht mit der Krim und dem Donbass zufrieden gewesen; er wäre auch jetzt mit den eroberten Gebieten nicht zufrieden. Zhaloba meint jedoch: „Putin braucht jetzt auch eine Pause. Wahrscheinlich noch mehr als wir.“ Doch ein Waffenstillstand würde nicht lange halten: „Wir müssten uns sofort auf einen neuen Angriff Russlands vorbereiten.“
Am Tag vor Russlands Invasion hat sich der Professor für Internationale Beziehungen und Völkerrecht an der Borys-Hryntschenko-Universität Kiew von seinen Studenten verabschiedet. Seither kämpft er an der Front, derzeit vor allem in der Drohnen-Aufklärung. Bereut hat er seine Entscheidung nicht: „Es war für mich nicht nur klar, dass es zu einem Krieg kommt, sondern auch, was ich in diesem Krieg tun werde.“ Sich freiwillig zu melden, war für ihn auch eine moralische Frage. DT/sba
Warum der Krieg in der Ukraine noch länger dauern dürfte, Ihor Zhaloba aber trotzdem optimistisch ist, lesen Sie am Donnerstag in Ihrer „Tagespost“.