Wladimir Putin sei an einem ernsthaften Dialog gar nicht interessiert, sondern suche nur einen Vorwand, um den Dialog für gescheitert zu erklären und die militärische Karte auszuspielen. Davon zeigt sich der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrii Melnyk, im Interview mit der „Tagespost“ überzeugt. Melnyk wörtlich: „Der Kremlchef hat einen monströsen strategischen Masterplan, die Staatlichkeit der Ukraine auszulöschen. Diesen verfolgt er mit Obsession und brutaler Hartnäckigkeit.“ Dabei sei Russlands Präsident aber gezwungen, zu taktieren und zu lavieren, wo er auf standhaften Widerstand des Westens stößt.
Appell an Deutschlands historische Verantwortung
Der Vertreter der Ukraine in Berlin warnt vor dem „Risiko des wohl größten Krieges im Herzen Europas seit 77 Jahren“. Die Gefahr wachse „mit jedem Tag, an dem der Westen keine ernst zu nehmende Abschreckungspolitik verfolgt“. Scharf kritisiert Melnyk gegenüber der „Tagespost“, dass die deutsche Bundesregierung die Lieferung von Defensivwaffen für Kiew weiterhin ablehnt. „Deutschland ist fähig und gefordert, uns mit notwendigen Rüstungsgütern zu helfen.“
Berlin trage „eine historische Verantwortung gegenüber der Ukraine wegen der NS-Verbrechen während des deutschen Besatzungsregimes“. Damals seien acht Millionen Ukrainer ums Leben gekommen, darunter mehr als fünf Millionen Zivilisten. Melnyk weiter: „Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, zu zeigen, dass Deutschland diese Verantwortung ernst nimmt und bereit ist, das Existenzrecht der Ukraine mit allen, auch militärischen Mitteln zu verteidigen.“
Ampel-Regierung muss sofort handeln
Die Ampel-Regierung müsse alle Einwände und Ausreden ablegen und sofort handeln, um einen Einmarsch der Russen in der Ukraine noch abzuwenden, fordert der Botschafter. Berlin sollte erkannt haben, dass rhetorische Ankündigungen von schwerwiegenden, aber vagen Konsequenzen für Moskau keine Wirkung zeigten. „Diese Unklarheiten ermuntern Putin sogar, noch offensiver und skrupelloser vorzugehen.“
Neben Waffen für die Ukraine fordert Melnyk ein sofortiges Embargo von russischen Erdöl- und Gasimporten, den endgültigen Stopp von Nord Stream 2 sowie von allen westlichen Investitionen in Russland, dessen Ausschluss vom Swift-Zahlungssystem, das Einfrieren ausländischer Staatsvermögen und Bankkonten Russlands sowie persönliche Sanktionen gegen die gesamte russische Staatsführung. DT/sba
Lesen Sie das Interview mit Botschafter Andrii Melnyk im vollen Wortlaut in der kommenden Ausgabe der Tagespost.