Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Rückschlag für die Linke

Überwältigender Wahlsieg der Konservativen in Chile

Herbe Niederlage für Chiles Präsident Boric. Bei der Wahl zum verfassungsgebenden Konvent erhalten die konservativen Parteien mehr als drei Fünftel der Sitze.
Chilenen wählen Verfassungsrat
Foto: Esteban Felix (AP) | José Antonio Kast, Vorsitzender der Republikanischen Partei, feiert, dass er nach der Wahl zum Verfassungsrat, der einen neuen Verfassungsentwurf ausarbeiten wird, die meisten Vertreter erhalten hat.

Am Sonntag wurden die Chilenen erneut an die Wahlurnen gerufen, nachdem im September 62 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen einen von einem linkslastigen Verfassungskonvent ausgearbeiteten Verfassungsentwurf gestimmt hatten. Chiles Präsident Gabriel Boric, der seine Präsidentschaft mit dem Ziel angetreten war, eine „progressive“ Verfassung auf den Weg zu bringen, musste eine herbe Niederlage einstecken. Der verfassungsgebende Prozess sollte mit der Wahl eines neuen Gremiums von vorne wieder beginnen. 

Der am Sonntag gewählte Verfassungskonvent soll einen neuen Verfassungsentwurf ausarbeiten, über den das chilenische Volk dann abstimmen wird. Erst wenn der Entwurf bei der Volksabstimmung angenommen wird, tritt eine neue chilenische Verfassung in Kraft, um das geltende, aus dem Jahre 1980 – also noch zu Pinochets Zeit – stammende Grundgesetz zu ersetzen. Im Jahre 2020 hatten etwa 80 Prozent der Chilenen für eine neue Verfassung plädiert.

Nicht auf die Linke angewiesen

Am Sonntag sollten mehr als 15 Millionen Chilenen ihre Stimme abgeben – in Chile herrscht Wahlpflicht, was etwa auch die sehr hohe Zahl (mehr als 2,2 Millionen oder 21 Prozent) ungültige und blanko abgegebene Stimmen erklärt. Bei der Wahl erhielt der rechte Block 56,5 Prozent (35,5 Prozent für die rechtskonservative Republikanische Partei und 21 Prozent für die traditionelle „Chile Seguro“) der gültigen Stimmen. Das linke Lager erreichte 37,5 Prozent (28,5 Prozent für Borics „Einheit für Chile“ und 9 Prozent für „Alle für Chile“). Die populistische Volkspartei bekam 5,5 Prozent der Stimmen, womit sie nicht im Verfassungskonvent vertreten sein wird.

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Damit stellt die Republikanische Partei von José Antonio Kast 23 der 51 Ausschussmitglieder (50 Vertreter politischer Parteien und ein Vertreter der indigenen Völker). Zusammen mit den 11 Vertretern von „Chile Seguro“ („Sicheres Chile“) verfügen die rechten Parteien über mehr als drei Fünftel der Sitze. Damit könnten sie sie entscheidende Punkte der neuen Verfassung durchsetzen, ohne mit den Linken verhandeln zu müssen.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die 16 Sitze von Borics Linkskoalition „Einheit für Chile“ ihr nicht das Vetorecht bei der Ausarbeitung des neuen Verfassungsentwurfes garantieren – dafür wären mindestens 21 notwendig gewesen.

Symbolträchtiger Sieg

Der Sieg der rechtskonservativen Partei von José Antonio Kast, der im Dezember 2021 die letzte Präsidentschaftswahl gegen Gabriel Boric verloren hatte, wird als besonders symbolträchtig angesehen, da die Popularität von Borics Regierung auf einem Tiefpunkt angelangt ist. Kast: „Chile hat eine gescheiterte Regierung besiegt“. Der Sieg vom Sonntag sei „ein starkes und klares Zeichen für die Richtung, die (die Chilenen) für unser Land wollen“. Dennoch gebe es keinen Grund zum Feiern, denn Chile gehe es nicht gut, sagte Kast, und verwies auf die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Probleme des Landes. 

Boric erkannte seinerseits die Niederlage an, die „von der Sicherheits- und Migrationskrise geprägt war, die die Stimmung unserer Landsleute zutiefst beeinflusst hat“. Der Präsident forderte die rechten Parteien auf, „große Vereinbarungen für unser Heimatland zu treffen.“ Er befürchtet offenbar, dass der breite Sieg der Rechten dazu führen könnte, dass sie den Verfassungsentwurf ohne einen breiten Konsens und ohne den Beitrag der Linken ausarbeiten könnten.

Das „Forum Madrid“ hat José Antonio Kast und der Republikanischen Partei gratuliert. In einer Stellungnahme heißt es, das Abstimmungsergebnis zeige, „dass das von der Regierung Boric vertretene ideologische Modell – das des Forums von São Paulo und der Puebla-Gruppe ¬– von den Chilenen weitgehend abgelehnt wird.“ Zusammen mit der Absetzung von Pedro Castillo in Peru und dem Sieg der Colorado-Partei in Paraguay bedeutet dies „den Anfang vom Ende des roten Flecks, der die Region bedeckt.“

Konvent soll im Juni Arbeit aufnehmen

Der aus 25 Männern und 25 Frauen sowie dem/der Vertreter(in) der indigenen Völker bestehende, verfassungsgebende Konvent soll im Juni seine Arbeit aufnehmen. Dabei wird er von einem Gremium mit 24, von den politischen Parteien ernannten Experten begleitet. Die Fachleute arbeiten bereits an einem Text, der am 7. Juni der Versammlung vorgelegt werden soll. Dann müssen die einzelnen Verfassungsartikel vom Verfassungskonvent jeweils mit einer Dreifünftel-Mehrheit angenommen werden. Das letzte Wort hat jedoch das Volk, das über den neuen Verfassungsentwurf am 17. Dezember abstimmen soll.

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