In der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ berichtet der Historiker Guylain Chevrier über die Fernsehdokumentation „Zone interdite“, die seit zwei Wochen in der französischen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wird. Seitdem auf dem Privatsender M6 Ende Januar eine Reportage über den Islamismus, insbesondere im nordfranzösischen Roubaix – der ärmsten Stadt des Landes –, ausgestrahlt wurde, tobt der Streit in den Zeitungsspalten. Die Journalistin der Dokumentation, Orphélie Meunier, wie auch der junge muslimische Jurist Amine Elbani – „einer der Belastungszeugen“ – werden mit dem Tod bedroht und stehen seither unter Polizeischutz.
Rigorismus und des religiöser Fundamentalismus in Frankreich
Auch wenn es in der Sendung nicht darum gehe, „Islam und Islamismus gleichzusetzen“, schreibt Chevrier, „legt sie doch ein beredtes Zeugnis über das Eindringen des Rigorismus und des religiösen Fundamentalismus in Frankreich ab“. Seit dem Auftauchen der ersten verschleierten Mädchen in einer Schule in Creil im Jahr 1989 habe man erlebt, wie „die hauptsächlich vom Islam ausgehenden Forderungen in sämtlichen Tätigkeitsbereichen anstiegen“. Man könne heute - nach einigen vielsagenden Studien - nicht mehr das Offenkundige leugnen, „darunter die des Institut Montaigne mit dem Titel ‚Ein französischer Islam ist möglich‘ (2016), der ans Licht gebracht hatte, dass eine Gruppe von 28 Prozent der Muslime in Frankreich autoritäre, ‚sezessionistische‘ Haltungen erkennen ließen und in der Religion ein Instrument der Revolte gegen die Gesellschaft sehen, ja sogar, dass für sie die Scharia über den Gesetzen der Gemeinschaft steht“.
Die TV-Reportage liefere einige wichtige Fakten über den Stand der Dinge, zunächst in Roubaix, aber auch in Marseille, in der Pariser Region und an der Universität von Bobigny, erklärt Chevrier in seinem Beitrag für den Figaro. „Man entdeckt ein Geschäft, in dem verschleierte Puppen ohne Gesicht verkauft werden – aufgrund einer strengen Anschauung des Islam, für die jegliche Darstellung von Menschen verboten ist und damit ab dem frühesten Alter entscheidend im Sinne dieser religiösen Weltsicht beeinflusst, die die Identität, besonders der Mädchen, auslöscht“. Man sehe in dem Fernsehbericht Bücher eines florierenden Buchladens, „in denen Steinigungen für rechtmäßig anerkannt werden“. In einer Schule werde nur der Koran gelehrt, es gebe dort keine Schulbücher und auch keine gemischten Klassen. Woanders „lagert man lästige Themen aus, wie die griechische Mythologie“, da sie dem Dogma des einen Gottes widerspricht.
Dogmatische Auffassung der Religion
Das allgemein vorgebrachte Argument für dieses Verhalten zur Rechtfertigung rigoristischer Praktiken sei, Chevrier zufolge, der „Respekt“ vor persönlichen Überzeugungen, „im Namen der Freiheit, was in Wirklichkeit die Realität umkehrt. Denn was diese Menschen fordern, ist, ihre Religiosität überall und unter allen Umständen uneingeschränkt geltend machen zu können – bis dahin gehend, die Freiheiten der anderen zu beeinträchtigen, gemäß einer dogmatischen Auffassung ihrer Religion“.
Was diese Reportage aufdecke sei, so Chevrier weiter, „eine Konfrontation zwischen der Republik und dem Islamismus, der die Religion zu politischen Zwecken umleiten will, wie es der Imam von Drancy, Hassen Chalghoumi– der ebenfalls mit dem Tod bedroht wird und Polizeischutz genießt – anprangert“. Doch es gehe darum, kommentiert Chevrier, „allen die gleiche Freiheit zu garantieren, Gläubigen wie Nichtgläubigen“. Da es an einer Klärung der Situation mangele, „werden wir in die gesellschaftliche Spaltung und das Risiko eines Zusammenstoßes abgleiten“. DT/ks
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