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Trump wird von der Anklage profitieren

Millionenspenden und mediale Aufmerksamkeit rund um die Uhr: Derzeit zieht Donald Trump Nutzen aus der Anklage gegen seine Person. Die entscheidenden Fragen gehen jedoch tiefer.
Nach Trump-Anklage - Mar-a-Lago
Foto: Rebecca Blackwell (AP) | Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, kommt vor einer Ansprache in seinem Anwesen Mar-a-Lago an, Stunden nach seiner Anklageerhebung in New York.

Kein Bild von Donald Trump in Handschellen, keine Live-Videoaufnahmen aus dem Gerichtssaal, keine gewaltsamen Ausschreitungen von Demonstranten: Wenn man bedenkt, welcher Wirbel sowohl in Amerika wie auch hierzulande rund um die Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten veranstaltet worden war, verlief der Dienstag erstaunlich ruhig.

Trump war zur Verlesung der 34 Anklagepunkte in das Gebäude des Strafgerichts im New Yorker Stadtteil Manhattan gekommen. Diese betreffen die von Trumps ehemaligem Anwalt Michael Cohen geleisteten Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels. Dem Ex-Präsidenten wird vorgeworfen, in dem Zusammenhang Geschäftsunterlagen gefälscht und möglicherweise gegen Wahlgesetze auf Bundesebene verstoßen zu haben. 

Trump plädiert auf "nicht schuldig"

Viel zu sehen oder zu hören war von dem 76-Jährigen in New York allerdings nicht. Trump winkte seinen Anhängern nur kurz zu, ehe er das Gericht betrat. Dort soll er weniger als ein Dutzend Worte gesprochen haben, zwei davon „nicht schuldig“. Danach entschwebte er mit seinem Privatjet wieder nach Florida, wo er in seinem Anwesen in einer halbstündigen Rede mit den Strafverfolgungsbehörden und allen anderen als „Feinde“ Deklarierten in üblicher Manier abrechnete. 

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Freilich wird Trump von nun an der „Stempel“ des Angeklagten anhaften. Dennoch profitiert der Republikaner von dem Verfahren – zumindest kurzfristig. Die in den letzten Tagen eingeworbenen Spenden sollen sich auf mehrere Millionen US-Dollar belaufen, seine Popularitätswerte innerhalb der Partei zeigen immer weiter nach oben. Die Berichterstattung auf allen Kanälen, rund um die Uhr, quasi sieben Tage die Woche, dürfte Trump auch eher nutzen als schaden. Denn die mediale Aufmerksamkeit war schon immer einer der Grundpfeiler, auf denen der Ex-Präsident seinen Erfolg aufbaute.

Wie belastbar sind Verfassung und Gesellschaft?

Die viel grundlegenderen Fragen, die sich aus der Affäre ergeben, betreffen jedoch den Zustand der US-Gesellschaft und des demokratischen Systems des Landes. Wie belastbar ist eine Verfassung, die es angeklagten, ja selbst verurteilten Straftätern erlaubt, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren und dieses sogar aus dem Gefängnis heraus auszuführen? Und wie stabil ist eine Gesellschaft, deren Mitglieder in Teilen resistent gegen Fakten und Argumente scheinen, in der politische Positionen derart verfestigt sind, dass jemand wie Donald Trump abermals gute Chancen hat, ins Weiße Haus einzuziehen?

Es werden nicht die Gerichte sein, die Amerika vom Ballast der Trump-Ära befreien. Dies muss aus der Bevölkerung heraus geschehen, beispielsweise an der Wahlurne. Beginnen könnte der Prozess aber auch innerhalb der Republikanischen Partei, die Trumps Aufstieg mit ermöglicht hat.   

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Maximilian Lutz Donald Trump Weißes Haus

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