Mit der Einladung zum 1700-Jahr-Jubiläum des Konzils von Nicäa an den Ort des Geschehens ist dem klugen alten Patriarchen noch einmal ein echter Coup gelungen. Da zog der 85-jährige Bartholomaios, der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, gemeinsam mit Papst Leo XIV. über einen Steg auf eine Plattform im Iznik-See, um jenes Gebetstreffen zu leiten, das im Rückgriff auf die christologischen Klärungen vor 1700 Jahren eine Strategie für die künftige Einheit der Kirchen zeigen sollte: als Glaubens- und Gebetsgemeinschaft nämlich.
Die anderen Kirchenhäupter waren zwar nicht Statisten, jedoch sichtbar nachgeordnet. Auf Augenhöhe mit dem Papst: So sah sich Bartholomaios immer – nicht aus machtpolitischer Ambition, sondern auf der kirchlichen Basis des ersten christlichen Jahrtausends, in dem die Bischöfe von Rom und Konstantinopel – die Nachfolger der Apostelbrüder Petrus und Andreas – mit den Patriarchen von Jerusalem, Alexandrien und Antiochia die Christenheit führten.
Petrus und Andreas, Rom und Konstantinopel: Diese Beziehungsgeschichte nahmen nach dem Bruch von 1054 Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras 1964 wieder auf, doch keiner hat sie stärker vertieft als der seit 1991 amtierende Bartholomaios, der zu Johannes Paul II., Benedikt XVI., Franziskus und nun Leo XIV. freundschaftliche Bande knüpfte.
Das gütige Gesicht der Orthodoxie
So ist der Patriarch, der im verwinkelten Istanbuler Stadtteil Fener hinter hohen Mauern residiert, ein Global Player der Ökumene. Die bis 2002 regierenden Kemalisten sahen ihn als eine Art Pfarrer der rund 2 000 orthodoxen Griechen Istanbuls, doch Erdoan weiß um die historische Bedeutung des Patriarchats von Konstantinopel in osmanischer Zeit und lässt ihm darum gerade genug Luft, um zu überleben.
Sie alle unterschätzen die Rolle von Bartholomaios, der nicht nur der wichtigste Ansprechpartner Roms in der Orthodoxie ist, sondern in Fragen der Menschenrechte wie der Schöpfungsverantwortung neben den Päpsten seiner Zeit zum Gewissen der Welt wurde. Bartholomaios, der auch Oberhaupt aller orthodoxen Christen ist, die nicht im „kanonischen Territorium“ eines anderen autokephalen Patriarchats leben, reist rastlos durch die Welt.
Dabei vertritt er die eigenen Anliegen, etwa die Wiedereröffnung der Hochschule auf Chalki, mit derselben Hartnäckigkeit wie seine ökologischen Ideen. Patriarch Bartholomaios ist das gütige Gesicht der Orthodoxie in der Welt, so wie der Moskauer Patriarch Kyrill – spätestens seit seiner ideologischen Schützenhilfe für Putins Krieg in der Ukraine – ihr erschreckendes Gesicht ist. Kein Wunder, dass das Band zwischen dem ehrwürdigsten und dem mächtigsten Mann der Orthodoxie längst zerrissen ist.
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