Mit Unverständnis und Kritik haben Lebensrechtler auf die jüngsten Äußerungen des Präsidenten der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, reagiert. Der Bundesärztekammerpräsident habe „offenbar eine Vorliebe für das Errichten Potemkinscher Dörfer“, erklärte die Bundesvorsitzende der „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA), Cornelia Kaminski, heute gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur „IDEA“. „Dabei könnte niemand besser als er wissen, dass Gebetswachen oder Demonstrationen vor Einrichtungen, die Abtreibungen vornehmen, die Ausnahme und nicht die Regel sind.“ Schließlich lasse sich die Bundesärztekammer die Pflege der Liste, die Ärzte und Einrichtungen aufliste, die vorgeburtliche Kindstötungen durchführten, honorieren. 374 Einrichtungen führe die Liste derzeit.
„Gebetswachen und oder Demonstrationen vor Scheine ausstellenden Beratungsstellen, die zu einer straffreien Abtreibung berechtigen oder Praxen und Kliniken, die Abtreibungen vornehmen, gibt es in Deutschland bisher genau in drei Städten: In Frankfurt am Main, Pforzheim und München“, so Kaminski weiter. Käme es dabei zu Bedrohungen oder gar Übergriffen „radikal auftretender Aktivisten“ (Reinhardt), wären „die Nachrichten voll davon“. Auch gebe es keine Berichte über Anzeigen oder gar Festnahmen durch die Polizei. Stattdessen müsse der „Marsch für das Leben“ friedlich demonstrierender Lebensrechtler jedes Jahr von mehreren Hundertschaften der Polizei vor den Übergriffen von Abtreibungsbefürwortern geschützt werden.
Reinhardt: Zum Teil radikal auftretende Aktivisten
Im Interview mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ hatte Reinhardt gefordert, sogenannte Gehsteigbelästigungen vor Arztpraxen müssten klar von politischen Demonstrationen abgegrenzt werden. „Denn das, was einige Kolleginnen und Kollegen erleben, geht über das Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung weit hinaus“, so der Ärztepräsident.
Die Mediziner hätten es zum Teil mit radikal auftretenden Aktivisten zu tun, die in der Nähe von Praxen wochenlang demonstrieren, und bekämen Mails mit Beleidigungen, aber auch mit expliziten Bedrohungen. Anlass für das Interview war offenbar die Stellungnahme der Bundesärztekammer, zu dem Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, mit welchem die Ampelregierung Gebetswachen und Demonstrationen vor Abtreibungseinrichtungen und Beratungsstellen bundesweit verbieten und mit Ordnungsstrafen ahnden will.
Wie die „Ärzte für das Leben“ erklärten, fänden die „im Gesetzesentwurf beschriebenen ,Belästigungen‘ gar nicht statt“. Zumindest gäbe es „außerhalb der Echokammer“, in der das Gesetzesvorhaben offensichtlich entstanden sei, für die Behauptungen der Bundesregierung „keine Evidenz“. Bisherige Urteile zur sogenannten „Gehsteigbelästigung“ hätten hingegen anerkannt, dass die damit gemeinten Gebetswachen und Informationsveranstaltungen die Persönlichkeitsrechte der Frauen nicht verletzten.
Auch hätten die Gerichte keine Behinderung der Arbeit von Abtreibungseinrichtungen oder Beratungsstellen feststellen können. „Weder für die Schwangeren noch für das Personal der Abtreibungseinrichtungen sind nach Meinung der Gerichte relevante Einschränkungen entstanden.“ Die Behauptung, es gehe bei der Gesetzesinitiative um die Schaffung von Rechtsklarheit, sei daher unbegründet, so die stellvertretende Vorsitzende der „Ärzte für das Leben“, Julia Kim.
Kim: Verbotsinitiative ist Eingriff in Grundrechte
„In Wahrheit stellt diese von der Bundesärztekammer unterstützte Verbotsinitiative einen Eingriff in die Grundrechte derjenigen dar, die vor Abtreibungszentren versuchen, das Lebensrecht des vorgeburtlichen Kindes sowie die Implikationen einer Abtreibung für die schwangere Frau ins Bewusstsein zu rücken.“
„Das Lebensrecht eines jeden Menschen wird im deutschen Grundgesetz, in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in der Europäische Menschenrechtskonvention sowie im Völkerrecht anerkannt.“ Bestrebungen der Bundesregierung, Möglichkeiten zur öffentlichen Verteidigung dieses Rechts zu beschneiden, stünden „im Widerspruch zu dieser Rechtstradition“ und stellten „keine Verbesserung in der Versorgung von Frauen im Schwangerschaftskonflikt oder ihrer Kinder da“, so Kim. DT/reh
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