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Staatsstreich in Peru 

Nach einem, auch von der peruanischen Bischofskonferenz verurteilten „Selbstputsch“ wurde der bisherige Präsident Pedro Castillo abgesetzt. Der Kongress wählte erstmals eine Frau an die Spitze des Landes: Dina Boluarte ist die neue Präsidentin Perus.
Perus abgesetzter Präsident Castillo festgenommen
Foto: Renato Pajuelo (AP) | Der gestürzte peruanische Präsident Pedro Castillo wurde vom Kongress abgesetzt und am Mittwoch wegen Rebellion verhaftet.

Der bisherige peruanische Präsident Pedro Castillo wurde am Mittwochabend abgesetzt, nachdem er in einer im Fernsehen mit zittrigen Händen vorgelesenen Botschaft „an die Nation“ die Auflösung des Kongresses, die Neuwahl eines verfassungsgebenden Parlaments und die „Reorganisation“ der Justiz angekündigt sowie eine nächtliche Ausgangssperre verhängt hatte. 

Damit wollte Castillo offensichtlich seiner Absetzung durch das Parlament zuvorkommen – bereits zweimal hatte er eine Amtsenthebung wegen des Vorwurfs des Machtmissbrauchs und der Korruption abgewehrt. Diesmal sah es jedoch nicht besonders gut für ihn aus.

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Putsch gegen sich selbst

Der „Selbstputsch“ misslang. Nicht nur die Sicherheitskräfte, die Justiz und die Volksvertreter im Kongress stellten sich gegen ihn. Auch seine Minister und sogar Castillos linksgerichtete Partei „Perú Libre“ distanzierten sich von ihm. Sie sprachen von einem „Staatsstreich“. Auch die peruanische Bischofskonferenz sprach von einer „verfassungswidrigen“ Entscheidung, den Kongress auflösen zu wollen. Die Bischöfe rufen zur „nationalen Einheit, Wahrung der Ruhe und Unterbindung jeglicher Form von Gewalt“ auf. 

Generalstaatsanwältin Patricia Benavides, die bereits im Oktober eine Verfassungsbeschwerde gegen Castillo eingereicht hatte, sagte: „Wir weisen den Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung auf das Schärfste zurück“. Verfassungswidrig war Castillos Vorstoß, weil in Peru der Präsident zwar das Recht hat, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen, jedoch nur, wenn zwei aufeinanderfolgende Misstrauensvoten gegen die Regierung gestellt werden, was nicht gegeben war.

Der Kongress trat wenig später zusammen und setzte Castillo mit 101 zu 6 Stimmen sowie 10 Enthaltungen ab. Das Präsidentenamt übernahm die bisherige Vizepräsidentin Dina Boluarte (60), die kurz nach der Abstimmung in ihrem neuen Amt vereidigt wurde. Die erste Präsidentin des südamerikanischen Landes sagte, sie sei sich ihrer „enormen Verantwortung bewusst“.

Gegen die Rechtsstaatlichkeit

Laut der peruanischen Zeitung „El Comercio“ wollte Castillo in der mexikanischen Botschaft Zuflucht suchen. Er sei aber auf dem Weg dorthin festgenommen worden. Nach einer mehrstündigen Festnahme in der Präfektur von Lima sei Castillo zum Barbadillo-Gefängnis gebracht worden, wo der ehemalige Präsident Alberto Fuijimori eine 25-jährige Haftstrafe verbüßt.

Die Organisation Amerikanischer Staaten OAS verurteilte durch ihren Generalsekretär Luis Almagro das Vorgehen des abgesetzten peruanischen Präsidenten Pedro Castillo: „Was heute in Peru geschah, als Castillo den Kongress ohne verfassungsmäßige Grundlage auflöste, stellt eine Veränderung der verfassungsmäßigen Ordnung dar", sagte Almagro während einer Sondersitzung des Ständigen Rates der OAS in Washington.

Nicht nur die OAS, auch die Vereinigten Staaten und die Europäischen Union EU haben die neue Präsidentin Dina Boluarte anerkannt: „Die EU lehnt jede Handlung ab, die gegen die Rechtsstaatlichkeit und die Verfassung verstößt“, schrieb Peter Stano Sprecher des Hohen Vertreters für die Außenpolitik der EU, Josep Borrell, auf seinem Twitter-Account. Die EU sei der Ansicht, dass die politische Krise in Peru „friedlich“ und „im Einklang mit dem verfassungsmäßigen Rahmen“ bewältigt wird. UNO-Generalsekretär António Guterres hat öffentlich „jeden Versuch, die demokratische Ordnung zu untergraben“ in Peru verurteilt.

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Unterschiedliche Reaktionen der Nachbarstaaten

Einige südamerikanische Staaten wie Uruguay und Paraguay haben ebenfalls den Selbstputsch verurteilt. Die Regierungschefs linksextremer Regime sprechen sich allerdings für Pedro Castillo aus. In Venezuela hat Diosado Cabello, der nach dem Tod von Hugo Chávez als „Nummer eins des Chavismus“ gilt, Castillos Absetzung als von den Vereinigten Staaten unterstützen „Staatsstreich“ bezeichnet. Es handele sich um eine „Offensive des Justizkrieges mit Tricks und Lügen“ gegen den Vormarsch der Linken in Lateinamerika. Der bolivianische Präsident Luis Arce verurteilte die „Schikanen der Eliten“ gegen „Volksregierungen“.

Der Mexikaner Andrés Manuel López Obrador, der dem ehemaligen Präsidenten Perus „politisches Asyl“ angeboten hat, spricht auf Twitter von einem „abwegigen“ Argument der Opposition, um Castillo abzusetzen. Etwas moderater äußerte sich der gewählte Präsident Brasiliens Lula da Silva: Es sei immer bedauerlich, „dass ein demokratisch gewählter Präsident ein solches Schicksal erleidet“. Er verstehe aber, „dass alles im Rahmen der Verfassung ablief.“

Unter denen, die Castillos Selbstputsch verurteilt haben, befinden sich indes mehrere ehemalige Prädienten Perus: Ollanta Humala, Martín Alberto Vizcarra, Francisco Sagasti Hochhausler. DT/jga

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