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Selenskyj lädt Russen zur Beichte ein

Russland müsse zu seinem Krieg und zu seinen Kriegsverbrechen stehen, fordert der ukrainische Staatspräsident.
Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigt sich überzeugt
Foto: IMAGO/Ukraine Presidency (www.imago-images.de) | Selenskyj zeigt sich überzeugt, dass in wenigen Jahren die Russen den Tatsachen ins Auge blicken müssen und das Ausmaß des Krieges begreifen werden.

Russlands Bürger müssen ihre eigene Schuld bekennen, fordert der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview mit dem russischen Journalisten Pjotr Wersilow, der an einem Dokumentarfilm über den Krieg arbeitet. Die Russen müssten zugeben, „dass sie dem ukrainischen Volk nicht zugehört haben“ und „dass sie getötet haben“, so der Präsident. Russland müsse eingestehen, dass eine Tragödie geschah und Menschen niedergemetzelt wurden. Wörtlich sagte Selenskyj in dem Interview für „Mediazona“, ein unabhängiges russisches Medienprojekt: „Diese Schuld einzuräumen wäre einer aufrichtigen Beichte in der Kirche ähnlich.“

Das ganze russische Volk in die Verantwortung mitgezogen

Künftige Generationen könnten sich auf eine Wiedergutmachung einigen, so der ukrainische Präsident. Zunächst aber müssten der Angriffskrieg beendet und die Schuld eingestanden werden. Bisher gebe es aber nur wenige Russen, die sich gegen den Krieg positionierten. Die russische Führung habe durch ihre Propaganda „das ganze russische Volk in die Verantwortung mitgezogen“, so das ukrainische Staatsoberhaupt. Das Blutbad, das geschehen sei, lasse sich nicht wegwischen. Wörtlich sagte Selenskyj in dem Interview: „Werden jetzt die ukrainischen Familien, die jemanden verloren haben, den Russen verzeihen? Nein, werden sie nicht.“

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Selenskyj zeigt sich überzeugt, dass in wenigen Jahren die Russen den Tatsachen ins Auge blicken müssen und das Ausmaß des Krieges begreifen werden. Dann liege es bei den Russen und ihrem Staatsoberhaupt, „eine richtungsweisende Entscheidung zu treffen“. Russland müsse zum Krieg und den eigenen Kriegsverbrechen stehen.

Versöhnung erst nach Russlands Verurteilung denkbar

Bereits einige Tage zuvor hatte das Oberhaupt der mit Rom unierten ukrainischen Katholiken des byzantinischen Ritus, Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, betont, dass Versöhnung erst nach einem Ende der Kämpfe denkbar ist: „Heute, während der aktiven Phase dieses ungerechten Krieges, besonders wenn wir alle auf eine weitere russische Bodenoffensive in der Ukraine warten, sind solche Dinge einfach nicht möglich.“ Erst nach dem Krieg könne man über Versöhnung sprechen: „Sie müssen zuerst aufhören, uns zu töten“, sagte Schewtschuk in einer Videobotschaft.

Nach den Kampfhandlungen gehe es zunächst um die Verurteilung des Täters und das Schaffen von Gerechtigkeit. Der ukrainisch-katholische Großerzbischof von Kiew fordert:

„Alle in der Ukraine begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen von einem internationalen Tribunal verurteilt werden. Heute qualifizieren wir sie als Völkermord. Daher ist es unangebracht, über einen nächsten Schritt zu sprechen, bis der Verbrecher entlarvt und sein Verbrechen verurteilt ist.“

Und weiter: „Wenn der russische Aggressor verurteilt wird, kann der nächste Schritt ein Versöhnungsprozess werden.“ Das werde ein langer Prozess sein, denn „Versöhnung bedeutet, Wunden zu heilen“. Ohne Sensibilität für die Opfer der ungerechten Aggression gebe es „von christlicher Seite kein Recht, über Versöhnung zu sprechen“.  DT/sba

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