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Schwere Niederlage für Sozialisten und Linke in Spanien

Ministerpräsident Pedro Sánchez zieht die Konsequenzen: Vorgezogene Parlamentswahl bereits im Juli.
Pedro Sanchez
Foto: IMAGO/PSOE (www.imago-images.de) | Der spanische Premierminister Pedro Sanchez tritt mit den vorgezogenen Neuwahlen nach dramatischen Verlusten bei den Kommunalwahlen die Flucht nach vorn an.

Am Sonntag fanden in Spanien Kommunal- und Landtagswahlen in 12 von den 17 Ländern („Comunidades autónomas“) und mehr als 8 000 Gemeinden statt. Das Ergebnis liest sich wie eine katastrophale Niederlage für die die spanische Zentralregierung stellende Koalition zwischen der sozialistischen PSOE- und der ultralinken Podemos-Partei. Zusammengenommen erreichte die konservative Partei PP („Partido Popular“) 31,5 Prozent der abgegebenen Stimmen, die PSOE lediglich 28,1 Prozent.

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Neuwahlen angekündigt

Die Ergebnisse von Kommunal- und Regionalwahlen können zwar eigentlich nicht eins zu eins auf die Wahl zum nationalen Parlament angewandt werden. In diesem Fall spielen sie jedoch eine so herausragende Rolle, dass Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE) bereits am Montag ankündigte, das spanische Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen – für den 23. Juli, mitten in der Urlaubssaison. Der Grund: Von Beginn des Wahlkampfes an ging Sánchez die Kommunal- und Regionalwahlen an, als handele es sich um eine Parlamentswahl, ja noch mehr: Als ginge es um eine Präsidentschaftswahl für oder gegen ihn.

Statt die Regionalpräsidenten beziehungsweise die Kandidaten aus den Ländern und Kommunen agieren zu lassen, übernahm der Ministerpräsident persönlich den Wahlkampf an vorderster Front. Die Antwort ist eindeutig ausgefallen, und Pedro Sánchez hat die Konsequenzen gezogen. Übrigens: auf nicht verfassungskonforme Art, denn Art. 115 der spanischen Verfassung räumt dem Ministerpräsidenten dieses Recht zu, allerdings nachdem er das Votum seines Kabinetts eingeholt hat, und nicht als Alleingang. Die anberaumte Kabinettssitzung fand nach der Ankündigung statt.

Die PP hat sieben der 12 autonomen Gemeinschaften, um die es bei diesen Wahlen geht, gewonnen. Darüber hinaus gewann sie 3000 Mandate in den Ratshäusern zu denen hinzu, die sie zuvor hatte. Für den PP-Sieg spricht, dass in Madrid sowohl Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso (im Land) als auch Oberbürgermeister José Luis Martínez-Almeida (in der Hauptstadt) mit absoluter Mehrheit regieren können. Auch die Ergebnisse der Wahlen in Valencia sind besonders aussagekräftig: Die PP hat sowohl in der „Comunidad Valenciana“ (Land) als auch in Valencia (Stadt) deutlich gewonnen, die als Hochburgen der PSOE und der linken „Compromís“-Partei galten, obwohl die konservative Partei mit „Vox“ im Hinblick auf eine Koalition oder Minderheitsregierung wird verhandeln müssen.

Abgeordnete verdreifacht

Der PP-Zuwachs geht größtenteils auf das Konto einer erst 2006 gegründeten Partei namens „Ciudadanos“, die sich als Mitte-liberal ausgab: Die PP hat zwei Millionen Stimmen hinzugewonnen, Ciudadanos 1,9 Millionen verloren. In nur vier Jahren hat diese Partei 90 Prozent ihrer Abgeordneten verloren, und ist in den Gemeinden, in denen sie noch mitregierte, kaum noch vertreten.

Die – je nach persönlichem Dafürhalten – rechte, rechtspopulistische oder gar ultrarechte Partei „Vox“, die immerhin die Partnerpartei von Giorgia Melonis „Fratelli d’Italia“ in Spanien ist, hat die Zahl ihrer Abgeordneten verdreifacht und ihre Stimmenzahl verdoppelt. Da die PP sich bemüht, den Platz in der Mitte des politischen Spektrums zu besetzen, scheint es genügend Spanier zu geben, die dafür sind, dass eine andere Partei den Platz auf der rechten Seite einnimmt.

Die größten Verluste hat aber die ultralinke Partei „Podemos“ erlitten, die aus ihrer Bewunderung für Maduros Politik in Venezuela nie ein Hehl gemacht hat. Die Klatsche geht größtenteils auf die katastrophale Politik des Gleichstellungsministeriums von Irene Montero zurück. Ein „Trans“-Gesetz, das jedem ermöglicht, mit bloßer Willenskundgebung das Geschlecht zu „wechseln“, hat für Unmut gesorgt. Noch schlimmere Folgen hat allerdings ein weiteres Gesetz, das eigentlich die Strafen für Sexualtäter verschärfen sollte. Trotz wiederholter Warnungen von Experten und Oppositionspolitikern veränderte die Novellierung des Strafgesetzes in diesen Punkten den Strafrahmen dergestalt, dass (bislang) bei mehr als 1000 Straftätern ihre Strafen abgemildert, und mehr als Hundert Sexualtäter frühzeitig entlassen wurden. Das dies eine wichtige Rolle gespielt hat, belegt etwa der Aufruf von 140 feministische Organisationen – und der Feminismus wählt traditionell links –, weder PSOE noch Podemos zu wählen, nach dem Motto „Der Feminismus wählt keine Verräter“.

Flucht nach vorn

„Podemos“ scheiterte an der Fünfprozenthürde in fünf von den sechs „Comunidades autónomas“, in deren Parlamenten sie bisher vertreten war, darunter Madrid und Valencia. Auch die von der Podemos-Partei unterstützte linke Aktivistin Ada Colau muss nun das Bürgermeisteramt in Barcelona, der zweitgrößten Stadt Spaniens, räumen, das sie im Jahre 2015 errungen hatte.

Politische Beobachter und Journalisten diskutieren zurzeit, ob Sanchez‘ Entschluss, Neuwahlen anzusetzen, ein Geniestreich oder eine verzweifelte Flucht nach vorne gewesen ist. Jedenfalls hätte ihm jeder einzelne Tag in der Koalition mit der todgeweihten Podemos-Partei sicherlich mehr geschadet als genutzt. Die Antwort: Am 23. Juli. DT/jga

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