Wenn es um den Krieg im Gazastreifen geht, fällt eine objektive Beurteilung auch der humanitären Lage schwer. Ein Grund ist, dass Israel keine internationalen Journalisten in das Kriegsgebiet lässt. Bilder und Informationen stammen daher vor allem aus Quellen, die nicht gänzlich unabhängig von der radikalislamischen Hamas agieren können. Der Benediktinerabt Nikodemus Schnabel, seit Längerem eine der profilierteren Stimmen, die aus dem Heiligen Land berichten, ist trotzdem zu dem Schluss gekommen, in Gaza herrsche eine „absolute humanitäre Katastrophe“. Wie Schnabel am Freitag gegenüber Radio Horeb sagte, habe er entsprechende Videos und Fotos sowie Augenzeugenberichte von Kirchenvertretern, die auf internationalen Druck hin den Gazastreifen hatten besuchen dürfen, gesehen und gehört.
Mit Blick auf den Vorwurf, aus dem Gazastreifen würden Bilder für eine Kampagne gegen Israel instrumentalisiert, antwortete Schnabel, der Skandal sei „definitiv nicht, ob irgendwelche Bilder manipulativ sind“, sondern, dass „Menschen im 21. Jahrhundert andere Menschen verhungern lassen“. Natürlich sei es genauso wenig entschuldbar, dass die Hamas, eine „zynische Terrororganisation“, seit bald 700 Tagen immer noch Menschen verschleppt und in Geiselhaft habe. Er aber finde wenig Gefallen daran, in „diesem Zynismuswettbewerb Partei zu ergreifen“. Die Kirche müsse klarmachen, dass jeder Mensch eine unverlierbare Würde habe und dass es keine abgestufte Würde zwischen „Israelis, Palästinensern, Deutschen, Frauen, Männern, Kindern, Alten, Reichen, Armen“ gebe. Schnabel wörtlich: „Weg mit diesem politischen Machogetue, mit diesem Recht haben, wer jetzt das Recht hat, zu morden, zu töten und welche Gewalt rechtfertigt ist und wo Menschen Kollateralschäden sind“.
Die beste Lösung für den Nahostkonflikt, so der Abt, der die Dormitio-Abtei auf dem Jerusalemer Zionsberg leitet, sei eine Einstaatenlösung mit gleichen Rechten für alle. „Wie toll wäre das, wenn das Heilige Land ein Land wäre, wo es ein lebendiges Judentum, einen lebendigen Islam, ein lebendiges Christentum in all seinen verschiedenen Riten und Kirchen gäbe? Wo die Pilger aller drei Religionen sozusagen sich gegenseitig anstrahlen würden?“ Aber die Menschen seien eben keine Engel, sondern Sünder. Die menschengerechte Lösung sei daher die Zweistaatenlösung, die zwei große Sehnsüchte adressieren müsse: die der Israelis nach Sicherheit („nie mehr Auschwitz, nie mehr Opfer sein“) und die der Palästinenser nach Freiheit. Nun müsse man zu Kompromissen bereit sein, so Schnabel. Schmerzhaft sei, dass er leider auch das nicht sehe: „Ich lebe leider wirklich hier in einem Land einer Macho-Kultur, wo sowohl israelische wie palästinensische Politiker sich dafür feiern lassen, dass sie keinen Millimeter nachgeben.“ (DT/jra)
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