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Religionsfreiheit vor allem für Atheisten

Der Menschenrechtsbericht des Europäischen Parlaments nimmt eine deutliche Akzentverschiebung vor. Christen spielen keine explizite Rolle, Ungläubige dagegen schon.
EU-Parlament ignoriert in seinem jüngsten Menschenrechtsbericht die weltweit steigende Christenverfolgung
Foto: IMAGO/Dwi Anoraganingrum (www.imago-images.de) | Das EU Parlament ignoriert in seinem jüngsten Menschenrechtsbericht die weltweit steigende Christenverfolgung.

Trotz anhaltender und teilweise sogar wachsender Christenverfolgung in vielen Staaten der Welt kommen die Worte „Christen“ oder „Kirchen“ im aktuellen Menschenrechtsbericht des Europäischen Parlaments gar nicht vor. Breit thematisiert wird jedoch die Religionsfreiheit, und zwar als „Recht, theistische, agnostische oder atheistische Ansichten zu vertreten, die Religion zu wechseln oder aufzugeben und den eigenen Glauben öffentlich zu bekunden“. Es sei „die Freiheit, die eigene Religion zu wählen, zu glauben oder nicht zu glauben, ein grundlegendes Menschenrecht“, heißt es in dem am Mittwoch in Straßburg verabschiedeten Text.

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Zu den Bedrängnissen, denen die Religionsfreiheit ausgesetzt ist, zählt das Europäische Parlament auch Verletzungen des Rechts, „sich als Atheist oder Agnostiker zu identifizieren“. Gleichzeitig werden „Gewalt und Sündenbockkampagnen gegen religiöse Minderheiten“ kritisiert. Betroffen seien davon „viele Religionsgemeinschaften und weltanschaulichen Gemeinschaften sowie Bevölkerungsgruppen, die Atheisten, Humanisten oder Agnostiker sind oder sich keiner Religion zurechnen“. Man sei darüber besorgt, dass „nicht-religiöse, säkulare und humanistische Organisationen in mehreren Ländern zunehmend mit Verfolgung, darunter beispiellose Wellen von Aufstachelung zu Gewalt gegen sie, Hass und Tötungen, konfrontiert sind“.

Missbrauch von Religion

Mit Blick auf die satirische Darstellung religiöser Ansichten heißt es in dem Menschenrechtsbericht, dass „die Äußerung kritischer Ansichten über Religion ein legitimer Ausdruck der Gedankenfreiheit oder der Freiheit des künstlerischen Schaffens ist“. Besorgt zeigt sich der Bericht weiter „über den Missbrauch und die Instrumentalisierung von Religion zur Befeuerung von Intoleranz oder der Untergrabung von Menschenrechten, wie der Rechte von LGBTIQ-Personen und der Rechte von Frauen auf sexuelle und reproduktive Gesundheit“, womit u.a. die Abtreibung gemeint ist.

Weiter bedauert das Europäische Parlament, dass das Amt des EU-Sonderbeauftragten für die Förderung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit mehr als ein Jahr lang nicht besetzt war. Auch fordert das Parlament, den neuen Sonderbeauftragten Fans van Daele „mit angemessenen Personalressourcen und finanziellen Mitteln auszustatten“. Aber auch hier mit einer erkennbaren Akzentverschiebung: Als seine Aufgaben werden definiert „die Förderung und der Schutz der Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit und die Rechte, keiner Weltanschauung anzuhängen, sich vom Glauben abzuwenden und atheistische Ansichten zu vertreten“. Er solle auch „der Lage von gefährdeten Nichtgläubigen besondere Aufmerksamkeit widmen“.

Das Europäische Parlament stellt fest, „dass der Anteil der Bevölkerung, der sich keiner Religion zurechnet, im politischen Rahmen der Union für die Gedanken- und Gewissensfreiheit und Freiheit der Religion oder Weltanschauung nicht vernachlässigt werden sollte“. DT/sba

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