Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Würzburg

Nordkorea: Ein Land ohne Corona-Infektion?

Angeblich gibt es in Nordkorea keine Corona-Fälle. Ein 2012 nach Südkorea geflüchteter Arzt bezweifelt das, denn das medizinische System sei zu primitiv, um eine COVID-19-Infektion von einem Schnupfen zu unterscheiden.
Coronavirus - Nordkorea
Foto: - (kyodo) | Arbeiter in einer Seifenfabrik in Nordkorea stellen Desinfektionsmittel her.

Im vergangenen Jahr hat Südkorea mit insgesamt 27,7 Milliarden Won (20,9 Millionen €) Nordkorea humanitär unterstützt. Dies gab das südkoreanische Einheitsministerium in diesen Tagen bekannt. 

Ein Thermometer als einziges Diagnoseinstrument

Offiziellen Meldungen aus Nordkorea zufolge habe die Corona-Pandemie das Land verschont. Obwohl COVID-19 den gesamten Planeten erfasst hat, gibt es nur ganz wenige Länder, die angeblich keinen einzigen Kranken auf ihrem Staatsgebiet haben. Wie Nordkorea. 

Die französische Zeitung l’Opinion bezweifelt die Aussage des nordkoreanischen Regimes und beruft sich dabei auf ein Interview, das Choi Jung-Un, ein ehemaliger Arzt aus Chongjin im Nordosten des Landes, der großen englischsprachigen Tageszeitung The Korea Times gab. Choi Jung-Un arbeitete unter anderem sieben Jahre im Seuchenbekämpfungszentrum von Nordkorea, bevor er 2012 nach Südkorea flüchtete. Zwischen 2002 und 2003 musste er Sars-Infektionen behandeln. Ein Thermometer war seine einzige medizinische Ausrüstung, mit dem er entscheiden sollte, ob ein Patient in Quarantäne musste oder nicht. Was die Behandlung von möglicherweise am Coronavirus Erkrankten angeht, bemerkt er: „Die nordkoreanischen Ärzte sind nicht dafür ausgestattet, um festzustellen, wer infiziert ist – das medizinische System ist noch immer zu primitiv, um zwischen einer Grippe, einem Schnupfen, einer Infektion mit SARS, Ebola, COVID-19 und anderen ansteckenden Krankheiten zu unterscheiden“.

Grenzen rasant abgeriegelt

Lesen Sie auch:

Daher könne er nicht glauben, dass sein ehemaliges Heimatland von der Pandemie verschont geblieben sei, vor allem, da dessen wichtigster Partner China ist, das von der Coronakrise schwer betroffen war. Nordkorea sei tatsächlich, so schreibt l’Opinion, „äußerst abhängig vom Handelsverkehr mit seinem chinesischen Nachbarn, und die Grenzübergänge zwischen den beiden Ländern wurden im Laufe der letzten Jahre stark ausgebaut, was darauf schließen lässt, dass Nordkorea nicht verhindern konnte, dass das Virus in das Landesinnere vordringt“. Außerdem müsse daran erinnert werden, dass Pjöngjang seine Grenze zu China „rasant abgeriegelt hat, nachdem Peking im Januar die Schwere der Lage zugab“. Zudem seien in Nordkorea Ausgangssperren und die Schließung von Schulen durchgesetzt worden


In Südkorea seien, stellt l‘Opinion weiter fest, zahlreiche Menschen über die Situation nördlich vom 38. Breitengrad besorgt. Der Universitätsprofessor in Seoul Kim Sin-gon hält es für wahrscheinlich, „dass die Anzahl der Opfer des Coronavirus in Nordkorea beträchtlich ist“, da es auch keine Möglichkeiten gebe, um sie zu behandeln. Darüber hinaus sind 40 % der nordkoreanischen Bevölkerung „unterernährt, was sie angesichts der Epidemie noch verletztlicher macht. Russland hat den Nordkoreanern im Februar 1500 Tests geliefert, während mehrere NGOs Schutzausrüstungen nach Pjöngjang schickten, aber viele bezweifeln, dass das ausreicht“. 

 

DT/ks

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen. Kostenlos erhalten Sie die aktuelle Ausgabe

Themen & Autoren
Redaktion

Weitere Artikel

Washington integriert USAID ins Außenministerium und streicht viele Projekte. Eine Studie prognostiziert Millionen Tote. Viele afrikanische Intellektuelle sehen dagegen eine neue Chance.
12.07.2025, 11 Uhr
Veronika Wetzel
So will die Bundesrepublik der Corona-Krise trotzen – Das deutsche Gesundheitssystem steht vor der größten Belastungsprobe der Nachkriegsgeschichte.
27.03.2020, 12 Uhr
Stefan Rehder

Kirche

Weil der Glaube lebendig ist, entwickelt er sich weiter: Ein akademisches Symposium zu Ehren des neuen Kirchenlehrers John Henry Newman erleuchtet dessen Haltung zum Glauben der Kirche.
04.11.2025, 18 Uhr
Maximilian Welticke
Das Glaubensdikasterium bekräftigt ein Ratzinger-Urteil aus dem Jahr 1996. Was „Mittlerin der Gnaden“ bedeutet und warum man immer von der „Mutter der Glaubenden“ sprechen darf.
04.11.2025, 11 Uhr
Guido Horst
In der kommunistischen Tschechoslowakei wirkte er in der Untergrundkirche: Nun ist der emeritierte Prager Erzbischof und Kardinal verstorben.
04.11.2025, 09 Uhr
Meldung