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Mehr als 100 Prominente gegen Umgestaltung von Notre-Dame

Alain Finkielkraut, Stéphane Bern und Pierre Nora: Zahlreiche Prominente äußern sich besorgt über die Pläne des Pariser Erzbistums, den Innenraum der Pariser Kathedrale Notre-Dame grundlegend umzugestalten.
Beschädigte Pariser Kathedrale Notre-Dame
Foto: Martin Bureau (AFP) | Heute, so empören sich die Unterzeichner, sei „die Wiederbelebung [der Kathedrale] ernsthaft beeinträchtigt durch ein Umgestaltungsprojekt des Innenraums des Monuments.

Über 100 Fachleute für das französische Kulturerbe, darunter Architekten, Konservatoren, Kunsthistoriker sowie eine Reihe von Professoren, Philosophen, Journalisten und Schriftsteller wenden sich in der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ gegen die geplante Umgestaltung des Innenraums der berühmten Pariser Kathedrale Notre-Dame.

Unterzeichner warnen: Liturgischer Raum völlig entstellt

Zu den Unterzeichnern des Appells gehören die Schriftsteller Alain Finkielkraut und Stéphane Bern sowie der Historiker Pierre Nora. Sie erinnern zunächst an den Brand vom 15. April 2019, bei dem einige Elemente von Notre-Dame zerstört wurden. Millionen von Menschen aller Nationalitäten hätten sich nach der Katastrophe für die notwendige Restaurierung des Kirchenbaus spontan zusammengefunden und fast eine Milliarde Euro gespendet. 

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Doch heute, so empören sich die Unterzeichner, sei „die Wiederbelebung [der Kathedrale] ernsthaft beeinträchtigt durch ein Umgestaltungsprojekt des Innenraums des Monuments. Die Diözese Paris will tatsächlich die Restaurierungsarbeiten dafür nutzen, das Innere von Notre-Dame in ein Projekt umzuwandeln, das dessen Ausschmückung und liturgischen Raum völlig entstellt“. Das Bistum meine, so heißt es in dem Appell weiter, „dass die Zerstörungen durch den Brand die Gelegenheit darstellten, das Verständnis des Bauwerks durch den Besucher zu verändern, obwohl sich das Feuer auf Dach und Turmspitze beschränkte und nichts vom kulturellen Erbe im Inneren zerstörte“.

Einfalt im Widerstreit mit dem Kitsch

Die Änderungsempfehlungen beträfen das Mobiliar, die Beleuchtung sowie die Lenkung des Besucherstroms: „Die Urheber dieses Projekts streben danach, einen anderen Rundgang anzulegen, ein anderes Erleben des Monuments, obwohl Notre-Dame ja bereits einen Rundgang anbietet“. Beispielsweise beruhe die vom Architekten Eugène Viollet-le-Duc entworfene Gestaltung „auf einem Prinzip der schrittweisen Steigerung der Räume, die bereits am Ende des Mittelalters existierte und die er wiederherstellte. Die ersten Seitenkapellen haben ein einfaches Dekor, um eine allmähliche Steigerung zur Pracht des Chors zu ermöglichen“. Alles sei „kunstvoll überlegt“ worden. 

Doch das, was sich die Diözese heute vorstelle, „macht den von Viollet-le-Duc sorgfältig ausgearbeiteten Entwurf zunichte. Das Projekt sieht die Einrichtung von herausnehmbaren Sitzbänken vor, eine je nach Jahreszeit veränderbare Beleuchtung, Videoprojektionen an die Wände etc., anders ausgedrückt, die gleichen modischen (und daher bereits schrecklich veralteten) ‚Vermittlungsmaßnahmen‘, die man bei allen ‚immersiven‘ kulturellen Projekten findet, wo die Einfalt oft im Widerstreit mit dem Kitsch liegt“.

Arbeit von Künstlern und Handwerker in Ehren halten

Doch, so appellieren die Unterzeichner, „dieser tragische Brand bietet uns eine außergewöhnliche Chance, eine absolut einzigartige Gelegenheit: die Restaurierung der Ausstattung von Viollet-le-Duc. Wir sind tatsächlich in der Lage, eine Ausstattung des zusammenhängenden Ganzen einer großen klaren Perfektion zu neuem Leben zu erwecken. Der geniale Architekt, der bestrebt war, das Werk der Baumeister des Mittelalters weiterzuführen und zu vollenden, hatte ein vollkommenes Kunstwerk konzipiert, bei dem Architektur und Dekor, Malerei und Skulptur, Kunsttischlerei und Goldschmiedekunst, Glasfenster und Kirchenleuchter einander entsprachen. Geleitet von einer äußerst präzisen Vorstellung von einem künstlerischen und spirituellen Ideal entwarf er die Kathedrale der Kathedralen und setzte sie in die Tat um“.

„Halten wir das Werk von Viollet-le-Duc in Ehren“, schließen die Verfasser des Aufrufs, „halten wir die Arbeit der Künstler und Handwerker in Ehren, die gearbeitet haben, um uns dieses Juwel zu schenken, respektieren wir einfach die Grundsätze eines historischen Bauwerks als Kulturerbe“.  DT/ks

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