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Kyrill sieht im Westen den Antichrist

Russland müsse seinen Traditionen treu bleiben, fordert das Oberhaupt der russischen Orthodoxie, und macht neuerlich den Westen für den Krieg verantwortlich.
Der Moskauer Patriarch Kyrill
Foto: IMAGO/Mikhail Sinitsyn (www.imago-images.de) | Russland habe eine „jahrhundertealte spirituelle und kulturelle Tradition“ und „seinen eigenen moralischen Wertekodex“ mit dem es in der Lage sei, den Widerstand gegen den „Antichrist“ anzuführen, so Kyrill.

Über „epochale Veränderungen in den internationalen Beziehungen und im Leben vieler Länder und Völker“ sprach der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill am Dienstag im russischen Föderationsrat, dem Oberhaus des russischen Parlaments in Moskau. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sei ein erheblicher Teil der russischen Gesellschaft hinsichtlich der Beziehungen zur westlichen Welt optimistisch gewesen. Man habe eine Alternative zur bisherigen Staatsideologie im Westen gesucht anstatt „die spirituelle, historische, kulturelle Tradition unseres Volkes“ als Alternative zu erkennen.

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Die westliche Welt jedoch habe sich auf „Christentums-feindliche Werte umorientiert“, so Kyrill. Der russische Patriarch warf dem Westen einen „Krieg gegen die Institution der traditionellen Familie“ und für gleichgeschlechtliches Zusammenleben vor, und „Propaganda für Geschlechtsumwandlung und andere moralische Perversionen, deren Nennung unanständig ist“. Das Bewusstsein der westlichen Meinungsführer sei „neu formatiert“ worden, „so dass sie die christlichen Ursprünge zu vertuschen begannen und eine andere Theorie der Entstehung des europäischen Humanismus durchgesetzt wurde“. Die Eliten der westlichen Länder würden das christliche Erbe dekonstruieren und ihre spirituellen Wurzeln aufgeben, sagte Kyrill.

Kirche als staatsbildende Kraft

Russland müsse verstehen, „wie wichtig es ist, seinen spirituellen Traditionen und Werten treu zu bleiben“. Die nach Europa kommenden Migranten würden sich nicht integrieren und die Sprache, Geschichte und Kultur dieser Länder nicht lernen, weil sie „auf ein spirituell sehr geschwächtes und desorientiertes Umfeld trafen“, sagte das Oberhaupt der russischen Orthodoxie. Das sei der Fall, weil sich die Europäer ihrer christlichen Wurzeln nicht mehr bewusst sind, ja sich für sie schämen würden.

In Russland dagegen sei die orthodoxe Kirche „zur staatsbildenden Kraft“ geworden, so der Patriarch. „Daher können wir sagen, dass die Marginalisierung der Religion und die Versuche, sie an den Rand des öffentlichen Lebens zu drängen, nichts anderes als der Wunsch sind, die spirituelle Immunität der Menschen zu zerstören.“ Darum richteten sich die „gottlosen politischen Eliten des Westens“ gegen die russische Orthodoxie und förderten die „Russophobie und Feindschaft, Hass und Spaltungen zwischen Brudervölkern“. Neuerlich warf Kyrill dem Westen vor, die Zerstörung der Orthodoxie in der Ukraine zu betreiben.

Auch für den aktuellen Krieg in der Ukraine machte der Patriarch den Westen verantwortlich: „Wir haben von westlichen Politikern nichts anderes gehört als den Wunsch, unserem Vaterland eine strategische militärische Niederlage zuzufügen, die uns der souveränen Entwicklung berauben würde.“ Seine Kirche bete für jene, die an der „militärischen Spezialoperation“ teilnehmen, sagte Kyrill, der die Ukraine ausdrücklich als „Kleinrussland“ bezeichnete und den Krieg als „Verteidigung der Souveränität Russlands“. Wörtlich: „Unsere Soldaten kämpfen und sterben, damit Russland ein unabhängiger Staat bleibt, von dem es auf der Weltkarte nicht so viele gibt.“

Russlands eigener Wertekodex

Russland habe eine „jahrhundertealte spirituelle und kulturelle Tradition“ und „seinen eigenen moralischen Wertekodex“ mit dem es in der Lage sei, den Widerstand gegen den „Antichrist“ anzuführen, so Kyrill: „Wenn die Menschen nicht mehr in der Lage sind, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, dann wird der Antichrist kommen, dem sie glauben werden.“

Der Patriarch räumte zugleich ein, dass sich in Russland „ein großer Markt für verschiedene esoterische Dienstleistungen, Wahrsager, Astrologen und andere gebildet“ habe. Das Parlament solle hier über gesetzliche Beschränkungen nachdenken. Auch veränderte ein Zustrom von Migranten, die kein Russisch sprechen und keine Ahnung von der russischen Geschichte und Kultur hätten, das Erscheinungsbild russischer Städte. Russland brauche darum „erhebliche Anpassungen seiner Migrationspolitik“, forderte Kyrill.

Kritik übte das Oberhaupt der russischen Orthodoxie an dem am 3. November 2021 zwischen Russland und dem Vatikan geschlossenen Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Hochschulabschlüssen und akademischen Graden. Dieses Abkommen führe zu einer Diskriminierung der eigenen theologischen Ausbildung. Der russische Staat anerkenne akademische Grade und Diplome der römisch-katholischen Kirche, weigere sich jedoch, Diplome anzuerkennen, die von höheren Bildungseinrichtungen der russisch-orthodoxen Kirche ausgestellt wurden.  DT/sba

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