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Kommentar um "5 vor 12": Wende in Frankreich

Der Mord an einem Lehrer verändert das Verhältnis zum Islam.
Nach Ermordung eines Lehrers bei Paris
Foto: Christophe Gateau (dpa) | Protestteilnehmer kommen auf dem Platz der Republik zusammen, um an einer Demonstration für die Rede- und Meinungsfreiheit teilzunehmen.

Die Schlacht ist eröffnet. Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin hat auch den Angriffsplan gegen den radikalen Islam bekannt gegeben, ganz öffentlich, in einem Radiointerview. Er wird dem Ministerrat die Auflösung mehrerer Vereinigungen vorschlagen, unter anderem das sehr aktive und umstrittene „Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich“, das von staatlichen Subventionen und Steuerbefreiungen lebe. Und er schob die inhaltliche Begründung für den Generalangriff gleich nach: Man sehe an solchen Vereinen, wie der „politische Islam sich mit dem radikalen Islam vereint, was schließlich zum Terrorismus führt. Der politische Islam muss mit derselben Schlagkraft bekämpft werden wie der Terrorismus“. 

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Ungewohnt klare Worte

Solche klaren Worte hat man bisher aus Politikermund noch nicht gehört, übrigens auch nicht in Deutschland. Wer den Islam kennt, weiß, daß er im Kern politisch ist. Der Islam kennt die Trennung von Religion und Staat nicht, diese Einheit mit religiöser Suprematie ist in dem Fachbegriff Dinwadaula zur Definition und Lebensweise geronnen. Nun kann man nicht alle sechs oder sieben Millionen Muslime in Frankreich über einen Kamm scheren. Aber indem der Innenminister de facto die Trennung von Politik und Religion fordert, erhebt er diese Forderung auch zum Maßstab für den Integrationswillen der muslimischen Bevölkerung. Die Religion müsse sich dem Gesetz der Republik unterordnen.

Es geht ein Ruck durch Frankreich

Es ist eine Forderung, die am Sonntag auf vielen Plätzen und seit der grausamen Enthauptung eines Geschichtslehrers durch eine junge Islamistenhand in vielen Zeitungen und Rundfunkanstalten erhoben wird. Darmanin hat erkannt: Hier geht ein Ruck durch Frankreich. Sein Präsident Emmanuel Macron nennt diese Zusammenhänge nicht, er spricht nur vom islamischen Separatismus. Aber der Druck auf ihn und die Regierung wächst. Dieser Mord ist eine Wende. Frankreich wird sich der Gefahr bewusst, die in der Radikalisierung so vieler Jugendlicher tickt – wie eine Zeitbombe, deren Uhr schon seit Jahren abläuft. Wenn Macron seinem Innenminister nicht folgt, kann es auch zur Wende für sein Mandat werden. 

Weitere Hintergründe erfahren Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

Themen & Autoren
Jürgen Liminski Emmanuel Macron Islamfeindlichkeit Separatismus

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