Kommentar

Geschuldete Pflege

Zwischen therapeutischen Maßnahmen und normaler Pflege muss unterschieden werden. Von Stefan Rehder

Der Wachkoma-Patient Vincent Lambert muss weiter künstlich ernährt werden. Das entschied ein Berufungsgericht in Paris unter Verweis auf den UN-Ausschuss zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderung. Der hatte Frankreich gebeten, die lebenserhaltenden Maßnahmen fortzuführen, die Ärzte des Uniklinikum Reims am Montag einstellen wollten. Nachdem das Land dies ablehnte, wandten sich die Eltern Lamberts an das Berufungsgericht. Auch der Vatikan plädierte in einer Stellungnahme für die Fortsetzung der künstlichen Ernährung.

Der 42-jährige ehemalige Krankenpfleger war 2008 schwer mit dem Motorrad verunglückt und ist seitdem querschnittsgelähmt. Er kann selbstständig atmen, muss jedoch künstlich ernährt werden. In den vergangenen Jahren lieferten sich seine Frau und seine Eltern einen erbitterten Rechtsstreit, der bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ging. Der gab Lamberts Frau und den Ärzten Recht. Diese berufen sich auf ein 2016 in Kraft getretenes Gesetz, das es Ärzten in Frankreich erlaubt, eine Behandlung zu beenden, wenn diese „unnütz und unverhältnismäßig erscheint oder nur dazu dient, das Leben zu erhalten.“

Nur wird Lambert gar nicht behandelt. Er wird gepflegt. Bereits 1980 legte die römische Glaubenskongregation in ihrer „Erklärung zur Euthanasie“ dar, dass zwischen therapeutischen Maßnahmen und normaler, dem Kranken geschuldeter Pflege unterschieden werden müsse. 2004 erklärte Papst Johannes Paul II., Wachkoma-Patienten hätten ein Anrecht auf „Grundbetreuung“. Dabei unterstrich der Papst, „dass die Verabreichung von Wasser und Nahrung, auch wenn sie auf künstlichem Wege erfolgt, immer ein natürliches Mittel der Lebenserhaltung und keine medizinische Behandlung ist. Ihre Anwendung ist deshalb als gewöhnlich und verhältnismäßig und damit als moralisch verpflichtend zu betrachten“. Eine „Unterbrechung“ dieser „minimalen Pflege“ würde den „Tod durch Verhungern und Verdursten herbeiführen“ und sei, wo dies „absichtlich“ erfolge, als „Euthanasie durch Unterlassen“ zu betrachten. Exakt darum geht es hier.

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