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Junge Christen glauben immer weniger an Gott

Wo finden junge Menschen Halt? Vertrauen in Glauben und Politik nimmt ab, während die Familie eine wichtige Stütze bleibt, wie die 19. Shell-Jugendstudie herausfindet.
Vier Mädchen im Teenageralter, die Spaß daran haben, sich im Freien zu vergnügen.
Foto: Adobe Stock | Nur noch 38 Prozent der katholischen Jugendliche gaben an, dass ihnen der Glaube wichtig sei.

Am Dienstag wurde die 19. Shell-Jugendstudie im Bundesfamilienministerium vorgestellt. Die alle vier bis fünf Jahre durchgeführte, repräsentative Untersuchung untersucht Einstellungen, Werte, Zukunftserwartungen, politische und gesellschaftliche Haltungen von Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren. Auch die Einstellungen der jungen Menschen zu Religion und Familie werden regelmäßig abgefragt.

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Der Glaube an Gott hat in den letzten 20 Jahren besonders bei katholischen Jugendlichen an Bedeutung verloren. Während 2002 noch 51 Prozent der katholischen Jugendlichen angaben, dass ihnen der Glaube wichtig sei, sind es 2024 nur noch 38 Prozent. Bei evangelischen Jugendlichen ist der Rückgang ähnlich, während der Anteil der muslimischen Jugendlichen, denen der Glaube wichtig ist, auf einem hohen Niveau bleibt und sich sogar von 72 Prozent im Jahr 2002 auf 79 Prozent steigert. Im gleichen Zeitraum wuchs der Anteil muslimischer Jugendlicher von 4 auf 12 Prozent, während der Anteil christlicher Jugendlicher zwischen 2002 und 2024 von zwei Drittel auf die Hälfte sank.

Muslime beten häufiger als Christen

Auch die Ausübung des Glaubens im Alltag hat abgenommen. Immer mehr Jugendliche – 49 Prozent in 2024 im Vergleich zu 29 Prozent in 2002 – beten nie. Während 18 Prozent aller Befragten angaben, mindestens einmal die Woche zu beten, integrieren Muslime ihren Glauben stärker in den Alltag: Mehr als jeder Dritte von ihnen (37 Prozent) betet täglich.

Die Familie bleibt für die meisten Jugendlichen ein wichtiger Halt im Leben. Mehr als zwei Drittel der befragten Jugendlichen möchten später Kinder haben (71 Prozent der Frauen und 66 Prozent der Männer). Der Kinderwunsch ist im Laufe der Jahre im Westen etwas stärker geworden, während er im Osten leicht abgenommen hat. Gründe gegen Kinder sind vor allem der Wunsch nach einem freien und ungebundenen Leben sowie finanzielle Bedenken, insbesondere bei jungen Frauen.

49 Prozent der Jugendlichen wollen Mann als Hauptversorger

Der Wunsch nach einer partnerschaftlichen Aufteilung der Erwerbsarbeit hat bei jungen Menschen zugenommen, insbesondere wenn es um Familien mit kleinen Kindern geht. Auch immer mehr junge Männer wünschen sich, in Teilzeit arbeiten zu können, wenn sie Kinder haben. Eine 30-Stunden-Woche des Vaters gilt inzwischen für viele als attraktiver als eine Vollzeiterwerbstätigkeit. Trotz dieses Trends wünschen sich 49 Prozent der Jugendlichen ein eher traditionelles Erwerbsmodell, bei dem der Mann als Allein- oder Hauptversorger fungiert. Dabei sind Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland deutlich: Im Westen bevorzugen 52 Prozent der Jugendlichen das traditionelle Modell, im Osten sind es nur 32 Prozent.

Geschlechterunterschiede sind bei vielen Themen festzustellen. So legen junge Frauen mehr Wert auf Themen wie Feminismus und Vielfalt, während junge Männer stärker an traditionelleren Rollenbildern festhalten. Männliche Jugendliche ordnen sich häufiger dem rechten politischen Spektrum zu (25 Prozent), während weibliche Jugendliche eher links orientiert sind. Insgesamt ist das politische Interesse der Jugendlichen seit 2002 deutlich gestiegen, von 34 Prozent auf heute 55 Prozent. Die Bereitschaft zum politischen Engagement ist im gleichen Zeitraum ebenfalls von 22 Prozent auf 37 Prozent gewachsen.

Unzufriedenheit in sozial benachteiligten Schichten

Jugendliche äußern auch deutliche Kritik an der aktuellen Politik: 55 Prozent glauben, dass viele staatliche Maßnahmen ihnen persönlich keinen Vorteil bringen. 44 Prozent der Befragten sin der Meinung sind, dass „eine starke Hand“ wieder Ordnung in den Staat bringen sollte. Diese Unzufriedenheit zeigt sich vor allem bei Jugendlichen aus sozial benachteiligten Schichten. Während 57 Prozent die Aufnahme von Flüchtlingen befürworten, sind 48 Prozent der Meinung, der Staat kümmere sich mehr um Flüchtlinge als um hilfsbedürftige Deutsche. Besorgniserregende 18 Prozent der Befragten glauben, „dass es in jeder Gesellschaft Konflikte gibt, die nur mit Gewalt ausgetragen werden können“.

Die Ansichten zur Unterstützung Israels sind stark gespalten. Etwa 30 Prozent der Jugendlichen begrüßen die klare Positionierung Deutschlands auf der Seite Israels im Gaza-Konflikt, während ebenso viele dies ablehnen und sich etwa ein Viertel unentschlossen präsentiert. Jugendliche, „die entweder selbst oder deren Eltern aus dem arabischen Raum oder der Türkei zugewandert sind“ sehen nur zu 26 Prozent eine besondere Verpflichtung Deutschlands gegenüber Israel, während 42 Prozent – deutlich mehr als in allen anderen Gruppen – eine solche ablehnt.

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