Ein Pariser Gericht hat den Attentäter von Nizza, Brahim Aouissaoui, zu lebenslanger Haft ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung verurteilt. Der 25-jährige Tunesier hatte am 29. Oktober 2020 in der Basilika Notre-Dame in Nizza drei Menschen auf brutale Weise ermordet. Das Gericht sprach ihn des Mordes und versuchten Mordes im Zusammenhang mit einem terroristischen Unterfangen schuldig. Die Entscheidung folgte der Forderung der Staatsanwaltschaft, die die Höchststrafe für den Mann verlangte, der mit „untragbarer Grausamkeit und unerschütterlicher Entschlossenheit“ gehandelt habe.
Fanatisierter Täter ohne Reue
Der Attentäter erstach mit einem großen Küchenmesser den 54-jährigen Küster Vincent Loquès und durchschnitt ihm die Kehle. Die 60-jährige Nadine Devillers wurde nahezu enthauptet. Die 44-jährige Simone Barreto Silva erlitt 25 Messerstiche und starb, nachdem sie sich in ein nahegelegenes Café geflüchtet hatte. „Die Tat war von einer unvorstellbaren Brutalität“, erklärte die Staatsanwaltschaft.
Der Attentäter selbst bekannte sich erst spät zu den Morden. „Ja, ich erkenne die Taten an“, sagte er zu Beginn der Woche, nachdem er seit den Geschehnissen vor über vier Jahren behauptet hatte, sich an die Tat nicht erinnern zu können und zeitweise sogar abstritt, die Person auf den Überwachungsvideos zu sein. Aouissaoui begründete seine Taten am vergangenen Montag mit dem Wunsch, Muslime zu rächen. „Ich bin kein Terrorist, ich bin ein Muslim“, erklärte er während des Prozesses. Im Laufe der Verhandlungen gab Aouissaoui mehrmals an, sich an Einzelheiten nicht erinnern zu können. Seine Verteidiger argumentierten, er habe sich in eine ideologische Spirale begeben, aus der er keinen Ausweg gefunden habe.
Laut der Staatsanwaltschaft stelle Aouissaoui eine anhaltende Gefahr dar, was die Höchststrafe rechtfertige. „Sein Fanatismus ist ungebrochen“, erklärte eine Vertreterin der Anklage. Der Attentäter bezeichnete im Laufe des Prozesses seine Taten als „legitim“ und hatte behauptet: „Täglich sterben Muslime, aber das interessiert euch nicht.“ Und: „Der Westen tötet unschuldige Muslime blindlings“, sagte er. Die Morde seien eine Form der Vergeltung gewesen. Dass seine Opfer ebenfalls unschuldig waren, stritt er nicht ab, jedoch betonte er: „Unschuldige zu töten ist ein Recht.“ In Hinblick auf seine Tat und die Folgen ließ er vor Gericht verlauten: „Es war mein Schicksal. Ich akzeptiere, was für mich vorherbestimmt ist.“
Verteidigung kritisiert Urteil
Die Verteidiger von Aouissaoui, Martin Méchin und Marie-Alexandrine Bardinet, sehen in der Verhängung der Höchststrafe eine indirekte Form der Todesstrafe. „Lebenslänglich ohne Aussicht auf frühzeitige Entlassung ist die Todesstrafe der Heuchler“, argumentierte Méchin. Es sei unklar, ob Aouissaoui von Anfang an mit der Absicht nach Frankreich gekommen sei, ein Attentat zu begehen. Seine Tat sei stattdessen als eine Folge durch die Migration entstandene Entwurzelung zu sehen.
Die Voruntersuchung hatte jedoch ergeben, dass sich der junge Mann in den Jahren vor seiner Tat radikalisierte und sich dann im September 2020 nach Europa einschiffte, wahrscheinlich bereits mit dem Vorsatz, ein Attentat zu begehen. Unter anderem fand man auf seinem Telefon islamistische Aufrufe zu gewaltsamen Aktionen in Frankreich. Nur wenige Wochen vor den Ereignissen war der Geschichtslehrer Samuel Paty von dem tschetschenischen Islamisten Abdoullakh Anzorov enthauptet worden, weil er im Unterricht Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte.
Auswirkungen auf die katholische Gemeinde
Der Angriff hatte nicht nur die Stadt Nizza, sondern die gesamte katholische Gemeinschaft in Frankreich tief getroffen. Ein Priester der Basilika berichtete vor Gericht von der Angst, die nach dem Attentat herrschte. „Nach dem Mord an Pater Hamel [2016 in einer Kirche in der Normandie, A.d.R.] konnte ich mir nicht vorstellen, dass so etwas noch einmal in einer Kirche in Frankreich passieren könnte“, sagte er. Dennoch sei es keine Option gewesen, die Basilika zu schließen, obwohl in der Zeit nach dem Attentat „deutlich weniger Menschen zu den Messen“ gekommen seien.
Auch die Französische Bischofskonferenz meldete sich zu Wort. Ihr Vorsitzender, Éric de Moulins-Beaufort, erklärte vor Gericht: „Ich spreche für alle Katholiken Frankreichs, die von diesem dreifachen Mord betroffen waren.“ Das Bewusstsein für die Bedrohung sei gewachsen. „Heute weiß jeder, der in Frankreich eine Messe besucht, dass ein Anschlag möglich ist“, so der Geistliche.
Harte Strafe für einen Terroristen
Das Urteil gegen Aouissaoui ist eines der härtesten, das in Frankreich wegen eines Terroranschlags verhängt wurde. Die lebenslange Haft ohne Aussicht auf Entlassung wurde zuvor nur selten ausgesprochen, unter anderem gegen Salah Abdeslam, den Hauptangeklagten der Anschläge auf das Bataclan vom 13. November 2015 in Paris.
Die Richter folgten damit den Forderungen der Staatsanwaltschaft, die in ihrem Plädoyer betont hatte: „Seine Abscheu gegen Frankreich manifestierte sich in einem tiefsitzenden Hass, den er durch das Konsumieren islamistischer Predigten noch verstärkte. Dieser Hass war der Treibstoff seiner Tat.“ DT/fha
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