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Impflicht kommt, Personal geht

Patientenschützer werfen Gesundheitsminister Lauterbach „Versagen“ vor – Der lehnt eine Verschiebung der Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen „strikt ab“.
Impfpflicht in Pflegeheimen
Foto: Sebastian Willnow (dpa-Zentralbild) | Laut der Bundesagentur für Arbeit haben sich im Dezember und Januar aus dem Gesundheits- und Sozialsektor rund 25.000 Menschen mehr als sonst arbeitssuchend gemeldet, darunter rund 12.000 Pflegekräfte.

Während eine wie auch immer geartete allgemeine Impfpflicht derzeit noch in weiter Ferne zu liegen scheint, soll Mitte kommenden Monats die sogenannte „einrichtigungsbezogene Impfpflicht“ greifen. Doch schon jetzt ruckelt es gewaltig. Laut der Bundesagentur für Arbeit haben sich im Dezember und Januar aus dem Gesundheits- und Sozialsektor rund 25.000 Menschen mehr als sonst arbeitssuchend gemeldet, darunter rund 12.000 Pflegekräfte. Ob die deutlich gestiegenen Zahlen mit der ab dem 16. März greifenden Nachweispflicht über den Impfstatus ursächlich zusammenhängt, konnte die Agentur jedoch nicht sagen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will an dem Vorhaben jedoch festhalten. Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) erklärte er: „Das Gesetz gilt. … Vor einem Jahr hatten wir das Problem, dass ohne Not viele Menschen in den Pflegeheimen gestorben sind, weil nicht entschlossen genug reagiert wurde. Das darf sich auf keinen Fall wiederholen. Deswegen lehne ich eine Verschiebung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht strikt ab.“

Nachweispflicht gilt für alle Beschäftigten

Die von Bundestag und Bundesrat im Dezember beschlossene Regelung schreibt den Beschäftigten von Kliniken, Alten- und Pflegeheimen sowie Arztpraxen vor, ihren Arbeitgebern bis zum 15. März einen Nachweis über ihren Impfstatus gegen das Virus SARS-CoV-2 vorzulegen. Gleiches gilt für die Beschäftigten von Einrichtungen anderer medizinischer Heilberufe, wie Geburtshäusern, Massage-, Physiotherapie- und Logotherapiepraxen sowie für Einrichtungen der Behindertenhilfe. Nicht erbrachte Nachweise müssen von den Arbeitgebern den zuständigen Gesundheitsämtern gemeldet werden.

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Die Nachweispflicht gilt unabhängig von der Art des Beschäftigungsverhältnisses. Unerheblich ist auch, ob die Beschäftigten tatsächlich Umgang mit Patienten oder Bewohnern haben. Daher gilt die Nachweispflicht des eigenen Impfstatus für externe körpernahe Dienstleister wie Fußpfleger und Friseure genauso wie für Küchenpersonal und Reinigungskräfte, Fahrer und Handwerker. Lediglich Post- und Paketboten sind von der Nachweispflicht des Impfstatuts ausgenommen.

Gesundheitsämter sollen Meldungen prüfen

Werden die Nachweise von den Beschäftigten nicht bis zum Ablauf des 15. März 2022 vorgelegt oder bestehen Zweifel an deren Echtheit oder Richtigkeit, sind die Arbeitgeber verpflichtet „unverzüglich“ das zuständige Gesundheitsamt darüber zu unterrichten und dem Gesundheitsamt die erforderlichen personenbezogenen Daten weiterzuleiten. Die Gesundheitsämter müssen die Fälle untersuchen und die Person zur Vorlage des entsprechenden Nachweises auffordern. Wird auch dieser Aufforderung nicht entsprochen, können die Ämter ein Betretungs- beziehungsweise Tätigkeitsverbot aussprechen.

Beschäftigte, die keinen Nachweis über ihren Impfstatus vorlegen, müssen neben dem Verlust des Beschäftigungsverhältnisses auch mit einer zusätzlichen Geldbuße von bis 2.500 Euro rechnen. Letzteres gilt auch für Unternehmen, die das Gesundheitsamt nicht über fehlende Nachweise informieren oder weiterhin Personen beschäftigen, die keinen gültigen Nachweis über ihren Impfstatus vorweisen könnten.

Patientenschützer Brysch wirft Lauterbach Versagen vor

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz wirft Lauterbach unterdessen Versagen vor. Bei der Neuregelung würden „die Vollzugsprobleme von Gesundheitsämtern, Ordnungsbehörden und Arbeitgeber ignoriert“, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch der Nachrichtenagentur AFP. „Noch verheerender“ sei jedoch, dass Lauterbach „die Versorgung von bis zu 200.000 Pflegebedürftigen und Kranken in Gefahr bringt. Eine Basta-Politik wird scheitern.“

Der Minister glaubt hingegen nicht, dass die Pflege mancherorts zusammenbrechen werde. Der FAZ sagte Lauterbach: „Es wird natürlich so sein, dass der eine oder andere radikale Impfgegner, der in der Pflege arbeitet, dann aussteigt. Dann stellt sich aber ohnehin die Frage, ob die Person für den Beruf überhaupt geeignet war. Dass medizinisches Personal wissenschaftliche Erkenntnisse leugnet und sogar bereit ist, Patienten zu gefährden, kann nicht sein. Ich glaube aber, dass die Widerstände unter Pflegekräften am geringsten sind.“ Viele Einrichtungen schauten „eher auf Küchen- und Reinigungspersonal, auf die Verwaltung“.  DT/reh

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