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Einer sagt deutlich, worum es geht

Die Lage ist so ernst, dass der emeritierte Papst nochmals zur Feder griff.
Die Bedeutung des Essays Benedikts XVI.
Foto: Michael Kappeler (dpa) | Guido Horst über die Bedeutung des Essays Benedikts XVI.

Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. ist nicht nur irgendein Zeitzeuge und scharfer Analytiker der geistigen Strömungen der Gegenwart, er saß auch im Auge des Taifuns als Anfang des Jahrhunderts die Missbrauchskrise die katholische Kirche einholte: Als Präfekt der Glaubenskongregation, der die Missbrauchsverbrechen von Klerikern zur vatikanischen Chefsache machte, als er merkte, dass die Ortskirchen in der Behandlung dieser skandalösen Fälle schwächelten, und als Papst, der genau zu Ostern 2010 im Zentrum der Missbrauchskrise jenes Jahres stand. Darum ist Benedikt XVI. in seinem vor einer Woche erschienenen Aufsatz auch sehr kritisch, was die frühere (kirchen- und strafrechtliche) Behandlung von Tätern im Priestergewand angeht, und er kann sich das Verdienst zuschreiben, einen umfassenden Wandel eingeleitet zu haben.

Große Dankbarkeit

Überall in der Welt haben viele die Stichworte, die der emeritierte Papst zur Missbrauchskrise geliefert hat, mit großer Dankbarkeit aufgenommen. Und es mag den halb-, in- oder quasioffiziellen Medien der Deutschen Bischofskonferenz gar nicht gefallen: Auch im deutschsprachigen Raum ist man froh, dass endlich mal einer deutlich sagt, worum es geht: Dass die Missbrauchskrise etwas mit der Glaubensschwäche und der sittlichen Verwahrlosung zu tun hat, die auch Teile des Klerus und der Orden in und nach der 68er-Zeit befallen hat. Wenn jetzt die deutschen Bischöfe auf ihrem Synodalen Weg über die Zölibatsverpflichtung, die Frauenfrage und die Sexualmoral nachdenken wollen, hat man oft den Eindruck, sie wollten damit in der Öffentlichkeit punkten und etwas von der Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, die sie im Zuge der Missbrauchskrise verloren haben.

Die Lage ist ernst

Aber das ist nicht der Geist des Evangeliums. Der besteht vielmehr – und das ist auch die Rede von Papst Franziskus – in der Umkehr, in der erneuerten Hinwendung zu Gott und einer entschiedeneren Nachfolge Jesu Christus. Hier und da eine Ordinariatsrätin mehr, ein paar "viri probati" oder die ein oder andere Segnung von homosexuellen Paaren – das alles würde nicht helfen, die Missbrauchsskandale und die daraus folgende Kirchenkrise zu überwinden. Deswegen hat der emeritierte Papst nochmals das Wort ergriffen. Das hat er nur getan, weil er weiß, wie ernst die Lage ist.

DT/gho (jobo)

Einen ausführlichen Kommentar, einen Bericht und das Schreiben des emeritierten Papstes zur Missbrauchskrise lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der "Tagespost" vom 18. April 2019. Kostenlos erhalten Sie diese Ausgabe hier.

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