Die Beibehaltung des Selbstbestimmungsgesetzes und den Ausbau frauenspezifischer Gesundheitsversorgung im gleichen Atemzug fordern? Für den Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) kein Problem. Für Menschen, die in der Schule gelernt haben, dass eine Sache und ihr Gegenteil nicht gleichzeitig wahr sein können (außer bei Schrödingers Katze), tut sich hier ein nicht auflösbarer Widerspruch auf.
In einem Appell an die zukünftige Bundesregierung fordert der KDFB, Geschlechtergerechtigkeit zu einer Priorität der Koalitionsverhandlungen zu machen. Dazu gehöre auch, dass „bestehende Fortschritte wie das Selbstbestimmungsgesetz erhalten bleiben und keine Rückschritte in der rechtlichen Anerkennung von Geschlechtervielfalt und sexueller Selbstbestimmung erfolgen“.
Geschlechtergerechtigkeit und geschlechtliche Vielfalt sind nicht das Gleiche
Dass Geschlechtergerechtigkeit und geschlechtliche Vielfalt nicht das Gleiche sind, ficht die KDFB-Damen nicht an. Der Frauenbewegung, als deren Teil sich der Bund versteht, tun sie damit keinen Gefallen. Echte Feministinnen wissen nämlich, dass es mit Geschlechtergerechtigkeit nicht weit her ist, wenn biologische Männer auf Quotenplätzen für Frauen in Parlamente, Aufsichtsräte und Ähnliches einziehen können. Genau das erlaubt das Selbstbestimmungsgesetz. Wenn der KDFB also wenige Zeilen später ein „bundesweites Paritätsgesetz zur gleichen Repräsentation von Frauen“ fordert, dann wirkt das nach dem Hinweis auf das Selbstbestimmungsgesetz bestenfalls lächerlich.
Noch kruder wird es, wenn noch ein paar Zeilen später die „systematische Berücksichtigung von Geschlechterunterschieden in Gesundheitsversorgung und Forschung“ gefordert wird, „wo bisher mehrheitlich nur männliche Probanden berücksichtigt werden“. Das ist natürlich ein völlig berechtigtes Anliegen, denn in der Tat geht die Medizin in Diagnostik, Auswahl und Dosierung von Medikamenten und anderen Aspekten nach wie vor vom männlichen Organismus aus, weshalb etwa die Endometrioseforschung immer noch in den Kinderschuhen steckt oder man erst seit Kurzem weiß, dass ein Schlaganfall bei Frauen andere Symptome aufweist als bei Männern.
Geschlechtsspezifische Medizin ist dringend nötig
Geschlechtsspezifische Medizin ist also dringend nötig. Nur kann man rein logisch schlecht gleichzeitig behaupten, dass Mannsein und Frausein allein von Wunsch und Wille der Person abhängt (=Selbstbestimmungsgesetz) und dass es objektive biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt, die medizinisch feststellbar sind.
„Dank“ des Selbstbestimmungsgesetzes in Kombination mit dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz könnte nun jeder Mann nach der unkomplizierten Änderung des Geschlechtseintrags beim Standesamt beim nächsten Frauenarzt vorstellig werden. Weist der eine Behandlung zurück, müsste er eine Klage wegen Diskriminierung fürchten. Das macht jede Forderung nach geschlechtsspezifischer Medizin obsolet.
Dass ein katholischer Verein weiß, dass der Mensch als Mann und Frau geschaffen wurde, erwartet ja schon keiner mehr. Aber auch in einer weltanschaulich neutralen Demokratie wächst die Nachvollziehbarkeit einer politischen Forderung doch deutlich, wenn sie wenigstens den Kriterien der Rationalität standhält.
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