Man muss schon entweder ziemlich dumm oder ziemlich dreist sein, um es für möglich zu halten, sein persönliches Eintreten für die Legalisierung vorgeburtlicher Kindstötungen lasse sich mit dem Weltkatechismus der Katholische Kirche und dem Lehramt Johannes Paul II. rechtfertigen.
Aber genau das scheinen 30 katholische Mitglieder des US-amerikanischen Repräsentantenhauses, allesamt Demokraten, zu meinen. In einem „Offenen Brief“ berufen sie sich für ihren Kreuzzug allen Ernstes nicht bloß auf ihr persönliches Gewissen, sondern auch auf den Katechismus und die „Berufung und Sendung der Laien“, wie sie „der verstorbene Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben Christifideles Laici zu Ausdruck gebracht“ habe.
Vollständig ignoriert
Wollte man etwas zur Entschuldigung der Abgeordneten vorbringen, so böte sich vielleicht an, dass der Katechismus der Katholische Kirche ein dicker Wälzer ist, und die Zeiten, in denen Katholiken ihn noch auswendig lernten, schon länger vorbei sind. Anderseits reicht jedoch ein Blick in das Schlagwortverzeichnis aus, um dort die Ziffern zu finden, in denen die Lehre der Kirche zur Abtreibung auf zwei Seiten dargelegt wird. Jedem, der des Lesens mächtig ist, müsste nach ihrer Lektüre zweierlei klar sein: Erstens: Dass die Katholische Kirche „seit dem ersten Jahrhundert“ die vorgeburtliche Kindstötung ausnahmslos ablehnt. Und Zweitens: Dass, ein Staat, der sie erlaubt, „die Gleichheit aller vor dem Gesetz“ leugnet und schwere Schuld auf sich lädt.
Dumm oder dreist ist es auch, sich auf das in dieser Frage gar nicht einschlägige Lehrschreiben „Christifideles Laici“ zu berufen, aber „Evangelium vitae“, die nicht wenige für das wichtigste Lehrschreiben des Jahrhundertpapstes halten, und die Moral- und Sozialenzyklika in einem ist, vollständig zu ignorieren. Ähnliches gilt für die unerleuchtete und von jeglicher Sachkenntnis befreite Auffassung dessen, was ein Gewissen gebieten kann und wann dem Folge zu leisten ist.
Arroganz der Dummheit oder Dummheit der Arroganz
Aber selbst diejenigen, die unfallfreie Lesen kirchlicher Dokumente überfordert, müssten durch das unerschrockene Zeugnis, das die US-amerikanischen Bischöfe in dieser Frage an den Tag zu legen pflegen, in der Annahme, ein Eintreten für die Legalisierung vorgeburtlicher Kindstötungen sei mit dem katholischen Glauben vereinbar, schwer erschüttert werden.
Ob es nun die Arroganz der Dummheit oder die Dummheit der Arroganz ist, die das bei den katholischen Demokraten offensichtlich verhindert, kann dahin gestellt bleiben. Der im Ton freundliche, aber in der Sache durchaus energische Widerspruch, mit dem die US-Bischöfe auf den „Offenen Brief“ der Kongressabgeordneten reagierten, lässt hoffen, dass die katholischen Wähler in den USA gewillt sind, mehr Zeit und Mühe auf die Aneignung von Glaubenswissen zu investieren, als die Kongressmitglieder.
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