Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um "5 vor 12"

Dumm oder dreist?

Was von dem Offenen Brief katholischer Mitglieder des US-Repräsentantenhauses zum vermeintlichen Recht auf Abtreibung zu halten ist.
Abtreibungsbrief 30 katholischer Abgeordneter
Foto: IMAGO/Laura Brett (www.imago-images.de) | In einem „Offenen Brief“ berufen sich 30 katholische Kongressabgeordnete allen Ernstes nicht bloß auf ihr persönliches Gewissen, sondern auch auf den Katechismus, um ein "Recht" auf Abtreibung zu fordern.

Man muss schon entweder ziemlich dumm oder ziemlich dreist sein, um es für möglich zu halten, sein persönliches Eintreten für die Legalisierung vorgeburtlicher Kindstötungen lasse sich mit dem Weltkatechismus der Katholische Kirche und dem Lehramt Johannes Paul II. rechtfertigen.

Aber genau das scheinen 30 katholische Mitglieder des US-amerikanischen Repräsentantenhauses, allesamt Demokraten, zu meinen. In einem „Offenen Brief“ berufen sie sich für ihren Kreuzzug allen Ernstes nicht bloß auf ihr persönliches Gewissen, sondern auch auf den Katechismus und die „Berufung und Sendung der Laien“, wie sie „der verstorbene Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben Christifideles Laici zu Ausdruck gebracht“ habe.

Vollständig ignoriert

Wollte man etwas zur Entschuldigung der Abgeordneten vorbringen, so böte sich vielleicht an, dass der Katechismus der Katholische Kirche ein dicker Wälzer ist, und die Zeiten, in denen Katholiken ihn noch auswendig lernten, schon länger vorbei sind. Anderseits reicht jedoch ein Blick in das Schlagwortverzeichnis aus, um dort die Ziffern zu finden, in denen die Lehre der Kirche zur Abtreibung auf zwei Seiten dargelegt wird. Jedem, der des Lesens mächtig ist, müsste nach ihrer Lektüre zweierlei klar sein: Erstens: Dass die Katholische Kirche „seit dem ersten Jahrhundert“ die vorgeburtliche Kindstötung ausnahmslos ablehnt. Und Zweitens: Dass, ein Staat, der sie erlaubt, „die Gleichheit aller vor dem Gesetz“ leugnet und schwere Schuld auf sich lädt.

Lesen Sie auch:

Dumm oder dreist ist es auch, sich auf das in dieser Frage gar nicht einschlägige Lehrschreiben „Christifideles Laici“ zu berufen, aber „Evangelium vitae“, die nicht wenige für das wichtigste Lehrschreiben des Jahrhundertpapstes halten, und die Moral- und Sozialenzyklika in einem ist, vollständig zu ignorieren. Ähnliches gilt für die unerleuchtete und von jeglicher Sachkenntnis befreite Auffassung dessen, was ein Gewissen gebieten kann und wann dem Folge zu leisten ist.

Arroganz der Dummheit oder Dummheit der Arroganz

Aber selbst diejenigen, die unfallfreie Lesen kirchlicher Dokumente überfordert, müssten durch das unerschrockene Zeugnis, das die US-amerikanischen Bischöfe in dieser Frage an den Tag zu legen pflegen, in der Annahme, ein Eintreten für die Legalisierung vorgeburtlicher Kindstötungen sei mit dem katholischen Glauben vereinbar, schwer erschüttert werden.

Ob es nun die Arroganz der Dummheit oder die Dummheit der Arroganz ist, die das bei den katholischen Demokraten offensichtlich verhindert, kann dahin gestellt bleiben. Der im Ton freundliche, aber in der Sache durchaus energische Widerspruch, mit dem die US-Bischöfe auf den „Offenen Brief“ der Kongressabgeordneten reagierten, lässt hoffen, dass die katholischen Wähler in den USA gewillt sind, mehr Zeit und Mühe auf die Aneignung von Glaubenswissen zu investieren, als die Kongressmitglieder.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stefan Rehder Bischof Johannes Paul II. Katholikinnen und Katholiken Katholische Kirche Kongressabgeordnete Lebensschutz Päpste

Weitere Artikel

Rom bekennt sich zur Ökumene und zum interreligiösen Dialog. Der Papst wird in beidem dicke Bretter bohren müssen.
27.11.2025, 11 Uhr
Guido Horst
Die katholische politische Theorie der Stunde: Der Neointegralismus plädiert für eine Abkehr vom Individualismus. Der Staat sei auch dem übernatürlichen Heil seiner Bürger verpflichtet.
20.11.2025, 15 Uhr
Sascha Vetterle
Den „Brief an die Künstler“ schrieb Papst Johannes Paul II. vor mehr als 25 Jahren. Am Samstag war er Thema der God-is-good-Konferenz von Pater Paulus Maria.
21.10.2025, 18 Uhr
Elisabeth Hüffer

Kirche

Nirgendwo in der arabischen Welt spielen die Christen eine größere gesellschaftliche und politische Rolle als im Libanon.
30.11.2025, 13 Uhr
Stephan Baier
Patriarch Bartholomaios benennt das „Filioque“ und die päpstliche Unfehlbarkeit als Hindernisse im Streben nach der Einheit von Orthodoxie und katholischer Kirche.
30.11.2025, 11 Uhr
Meldung
Das Jubiläumstreffen von Nicäa sei „ein geistlicher Wendepunkt in der Geschichte des Christentums“, meint der Armenisch-Apostolische Patriarch von Istanbul, Sahag II.
30.11.2025, 10 Uhr
Stephan Baier
Wenn der Römer mit einem Kurialen essen geht, dauert es nicht lange und man ventiliert, was hinter den heiligen Mauen vor sich geht.
30.11.2025, 05 Uhr
Mario Monte