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Die Grünen sind eine Partei von gestern

Statt gegen die Schuldenbremse und ihre Verteidiger zu agitieren, sollten die Grünen sich lieber von ihren überkommenen wirtschaftspolitischen Träumen verabschieden.
Habeck müsste dem Verfassungsgericht dankbar sein
Foto: IMAGO/Chris Emil Janssen (www.imago-images.de) | Wäre Habeck ernsthaft am Wohl des Landes gelegen, so müsste er dem Verfassungsgericht für sein Urteil eigentlich dankbar sein.

Eine Partei von gestern, mit einem Vorsitzenden von vorgestern, das sei die CDU – so weit ein wütender Vizekanzler Robert Habeck. Dessen so kämpferische wie inhaltlich groteske Rede auf der grünen Bundesdelegiertenkonferenz am gestrigen Donnerstag wäre schon für sich genommen eine vertiefte Analyse wert. Schließlich offenbarte sie einen tiefen Einblick in die Seele seiner eigenen Partei, der die Realität ständig neue Tiefschläge verpasst. Und die sich dennoch weigert, den technischen K.O. zu akzeptieren.

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Woher der Zorn? Inhaltlich kreiste Habeck hauptsächlich um die Schuldenbremse, die der grüne Wirtschaftsminister für ungeeignet hält, den Herausforderungen der Zeit zu begegnen, begrenzt sie doch die Kreditaufnahme, mit der Habeck den grünen Umbau der deutschen Wirtschaft zu bewerkstelligen gedachte. Und für die Änderung der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse wäre nicht nur die Zustimmung des Koalitionspartners FDP, sondern auch die der Union nötig, die sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, einer Reform der Bremse ebenso wie die FDP verweigert.

Habeck müsste dem Verfassungsgericht dankbar sein

Wäre Habeck ernsthaft am Wohl des Landes gelegen, so müsste er dem Verfassungsgericht für sein Urteil eigentlich dankbar sein. Nicht, weil dieses vermeintliche Konstruktionsfehler der Schuldenbremse offenlegen würde. Sondern weil es die Chance böte, sich endlich von den ideologischen Irrwegen zu befreien, auf die die Grünen die deutsche Politik schon seit langem zum Schaden des Landes geführt haben. Es ist richtig, dass das Verfassungsgericht zu einem früheren Zeitpunkt auch dem Klimaschutz Verfassungsrang eingeräumt hat, um die Handlungsfreiheit kommender Generationen zu schützen. Und es ist richtig, dass ein CO2-neutraler Umbau der Wirtschaft nicht zum Nulltarif zu haben ist; dass Investitionstätigkeit, wie Habeck sie anmahnt, tatsächlich unumgänglich ist, um einen Umbau zu erreichen. 

Das Problem liegt vielmehr darin, dass – vom Heizungsgesetz bis zum Atomausstieg – grüne Politik vor allem darin brilliert, den Umstieg möglichst bürokratisch, teuer und ineffektiv zu gestalten, und ihn dabei kontrafaktisch als „grünes Wirtschaftswunder“ zu bewerben. Spätestens jetzt hat sich die Idee überlebt, mit Buchungstricks am regulären Haushalt vorbei hunderte von Milliarden am Kapitalmarkt aufzunehmen, und damit die gigantischen Kosten eines planwirtschaftlich betriebenen Totalumbaus der Energieinfrastruktur späteren Regierungen und ihren Steuerzahlern aufzubürden. Diese Art von Politikgestaltung ist tatsächlich „von vorgestern“. 

Investitionen müssen aus dem privaten Sektor kommen

Die Schuldenbremse sorgt für eine Haushaltsführung, die sich der Knappheit der Ressourcen bewusst ist, und das ist gut so, denn die Ressourcen sind tatsächlich knapp. Der demographische Wandel wird sich in den nächsten Jahren mit voller Wucht zeigen. Wachstumsraten, die die Verschuldung von heute bis morgen fix wieder kompensiert haben, sind illusorisch; vielmehr stehen Jahrzehnte der wirtschaftlichen Stagnation bevor. Oberstes Gebot ist es daher, schon jetzt solide zu wirtschaften, und politische Ziele zum kleinstmöglichen Preis zu verfolgen. Die Investitionen, die nötig sind, müssen vor allem aus dem privaten Sektor kommen – dazu gilt es günstige, realistisch geplante Rahmenbedingungen zu schaffen. Ein Einstieg in den Umgang mit der neuen Realität könnte etwa die Reaktivierung der noch nutzbaren Atomkraftwerke sein. Billiger als die potentiell unbefristete Subventionierung des Strompreises, die Habeck bislang vorschwebte, um die Industrie vom Abwandern abzuhalten, wäre diese allemal. 

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