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Das „tragische Vermächtnis“ des Vaters der Abtreibungspille

Der Erfinder der Abtreibungspille RU 486, Étienne-Émile Baulieu, ist gestorben. Die Reaktionen auf den Tod des Franzosen sind kontrovers.
Étienne-Émile Baulieu gestorben
Foto: IMAGO / ABACAPRESS | Der Arzt und Biochemiker Étienne-Émile Baulieu, hier bei der Verleihung des „Prix Science Et Laicite" 2016, ist am vergangenen Freitag im Alter von 98 Jahren in seinem Haus in Paris verstorben.

Staats- und Regierungschef sowie führende Köpfe US-amerikanischer Lebensrechtsorganisationen haben höchst unterschiedlich auf die Nachricht vom Tode des Erfinders der Abtreibungspille, Étienne-Émile Baulieu, reagiert. Der Arzt und Biochemiker war am vergangenen Freitag im Alter von 98 Jahren in seinem Haus in Paris verstorben, wie dessen zweite Frau Simone Harari Baulieu in einer Pressemitteilung bekannt gab.

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„Nur wenige Franzosen haben die Welt so sehr verändert. Widerstandskämpfer, Forschungsgenie, Verfechter der Empfängnisverhütung, Erfinder einer Abtreibungspille, Étienne-Émile Baulieu war ein Geist des Fortschritts, der es Frauen ermöglichte, ihre Freiheit zu erobern“, rühmte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron Baulieu auf „X“ nach.

Entscheidend: Ein Forschungsaufenthalt an der Harvard Medical School

Étienne-Émile Baulieu, der eigentlich Étienne Blum hieß, wurde am 12. Dezember 1926 als Sohn jüdischer Eltern in Straßburg geboren. Während des Zweiten Weltkriegs schloss er sich im Alter von 15 Jahren der Résistance an. Um den Razzien der Nazis zu entgehen, änderte er 1943 seinen Namen in Baulieu.

Nach dem Studium der Medizin und der Naturwissenschaften, der Ausbildung zum Arzt und zwei Promotionen, lehrte er als Dozent und später als Professor für biologische Chemie zunächst in Reims und Rouen sowie ab 1970 in Paris. Bei einem Forschungsaufenthalt in den USA (1958-1961) lernte er an der Harvard Medical School Gregory Pincus kennen, der die Anti-Baby-Pille mitentwickelte hatte und der ihm riet, sich auf die Erforschung und Entwicklung von Sexualhormonen zu konzentrieren.

Die planvolle Entwicklung der Abtreibungspille

Ab 1980 entwickelte Baulieu für den französischen Pharmahersteller Roussel-Uclaf zusammen mit Eduoard Sakiz eine Methode, um die Wirkung des Hormons Progesteron zu blockieren, das für die Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft unerlässlich ist. Gemeinsam entwickelten sie das Antigestagen Mifepriston. Der Wirkstoff verdrängt das schwangerschaftserhaltende Hormon Progesteron von den Progesteron-Rezeptoren. Die Folge: Der Embryo wird von Sauerstoff und Nahrung abgeschnitten, die Gebärmutterschleimhaut der Schwangeren bildet sich zurück, bis sie schließlich zusammen mit dem darin eingenisteten Embryo abgestoßen wird.

„Dr. Étienne-Émile Baulieu lebte ein außergewöhnliches Leben, das sowohl die Wissenschaft als auch die Gesellschaft voranbrachte. Er war maßgeblich am Kampf für unsere Grundfreiheiten beteiligt, und er veränderte das Leben so vieler Frauen auf der ganzen Welt“, kommentierte die ehemalige US-Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Kamala Harris, Baulieus Tod.

„Stellen Sie sich vor, Sie kommen an die Himmelspforte …“

Lebensrechtler in den USA, wo mehr als 60 Prozent aller vorgeburtlichen Kindstötungen mit dem Präparat durchgeführt werden, das dort unter dem Handelsnamen „Mifeprex“ vertrieben wird, sehen das ganz anders: „Etienne-Émile Baulieu – der Schöpfer der Abtreibungspille – ist im Alter von 98 Jahren gestorben. Wegen seiner Erfindung sind allein in den USA 7,5 Millionen Kinder tot. Und alle 49 Sekunden wird ein Kind getötet. Was für ein tragisches Vermächtnis“, erklärte etwa Lila Rose, Präsidentin und Gründerin der US-amerikanischen Lebensrechtsorganisation „Live-Action“.

Und Kristan Hawkings, Präsidentin von „Students for Life“, kommentierte den Tod von Baulieu mit den Worten: „Stellen Sie sich vor, Sie kommen an die Himmelspforte und müssen erklären, dass Sie der Grund für die Existenz eines Präparats waren, das so viele unschuldige Kinder getötet hat.“

Höchste Auszeichnungen für eine tödliche Erfindung

In Frankreich wurde das Präparat erstmals 1988 unter der Bezeichnung „RU 486“, später „Mifegyne“ zugelassen. Für den deutschen Markt wurde es erst 1999 durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) freigegeben, auch weil sich lange kein Konzern fand, der das Präparat vertreiben wollte. Laut den Abgaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden wurden im vergangenen Jahr rund 41 Prozent der dem Amt gemeldeten 106.455 vorgeburtlichen Kindstötungen mit der Abtreibungspille durchgeführt.

Für seine tödliche Erfindung wurde Baulieu mit Ehrungen überhäuft. So wurde er 1989 unter anderem von der in New York ansässigen „Albert and Mary Lasker Foundation“ mit dem „Lasker Award“ geehrt. Der Lasker Award zählt zu den höchsten medizinischen Auszeichnungen der Welt und wird auch als der „US-Nobelpreis“ bezeichnet. Am 29. Dezember 2022 ernannte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Baulieu zum Kommandeur der französischen Ehrenlegion, nur, um ihn bei der Neujahrpromotion am 1. Januar 2023 zum Träger des Grand-Croix erheben zu können, der höchsten Stufe dieses Ordens.

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