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Chancen für einen Neubeginn nach Putin in Russland

Das System Putin sei „ziemlich widerstandsfähig“, meint die Politikwissenschaftlerin Vera Ageeva. Entscheidend für potenziellen Wandel sei die wirtschaftliche Situation der Bürger.
Russlands Machthaber Wladimir Putin
Foto: Alexander Zemlianichenko (Pool AP) | Obwohl Putin das Land auch wirtschaftlich darauf vorbereitet hat, sich für eine gewisse Zeit von der Außenwelt zu isolieren, wird die wirtschaftliche Situation kommen, in der die Mehrheit der Bevölkerung versteht, ...

Die russische Politologin Vera Ageeva hält einen schnellen Regimewechsel in Russland nicht für wahrscheinlich. Das System, das der russische Machthaber Wladimir Putin errichtet habe, sei „ziemlich widerstandsfähig und große Teile der Bevölkerung sind (noch) zu apathisch, um nach Änderungen zu rufen“, erklärt Ageeva im Gespräch mit der „Tagespost“. „Ein unmittelbarer Übergang zur Demokratie ist daher nicht wahrscheinlich.“

Gefahr eines noch totalitäreren Systems

Am wahrscheinlichsten ist nach Ansicht der Politikwissenschaftlerin, die am Institut d'etudes politiques (Sciences Po) in Paris und an der Wirtschaftshochschule Sankt Petersburg unterrichtet, eine Palastrevolution durch die „Silowiki“, die Vertreter der sogenannten „Machtministerien“, also der Sicherheits- und Verteidigungsapparate. Es bestehe jedoch die Gefahr, dass diese „ein noch totalitäreres System errichten“ könnten. Unter der Herrschaft der „Silowiki“, so Ageeva, würde sich die Wirtschaftslage in Russland wohl noch weiter verschlechtern.

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Dennoch meint sie: „Obwohl Putin das Land auch wirtschaftlich darauf vorbereitet hat, sich für eine gewisse Zeit von der Außenwelt zu isolieren, wird die wirtschaftliche Situation kommen, in der die Mehrheit der Bevölkerung versteht, dass ein Wandel her muss.“ Im Kampf zwischen dem Fernseher, der sagt, dass alles in Ordnung sei, und dem leeren Kühlschrank gewinne am Ende immer der Kühlschrank.

15 Prozent lehnen Krieg offen ab

Wie die russische Bevölkerung über den Krieg Russlands in der Ukraine denke, könne man derzeit nicht genau sagen. So seine die russischen Meinungsforschungsinstitute größtenteils in staatlicher Hand, gibt Ageeva zu bedenken. Außerdem weigerten sich die meisten Russen aus Angst, an Umfragen zum Ukrainekrieg teilzunehmen. „Und die, die keine Angst haben, ihre Meinung zu sagen, sind diejenigen, die für den Krieg sind!“

Ein Großteil der Russen denkt nach Einschätzung der in Paris lebenden Politikwissenschaftlerin konformistisch und wähle „den Weg der Bequemlichkeit und Sicherheit“. Eine Minderheit unterstützte Putin und den Krieg aktiv. Eine weitere Minderheit, „ich schätze etwa 15 Prozent der russischen Bevölkerung, lehnt den Krieg offen ab“.  DT/mlu

Welche Rolle die Exil-Russen spielen und ob auch die Jugend ausschlaggebend für Wandel in Russland sein kann, erfahren Sie im ausführlichen Interview in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".

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