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Biden bereitet seine nächste Kandidatur vor

Vor dem Kongress liefert Biden einen kämpferischen Auftritt, der eine Kampagne zur Wiederwahl einleiten dürfte. Zwischenrufe der Republikaner sorgen für groteske Szenen.
Bidens Rede zur Lage der Nation
Foto: Jacquelyn Martin (AP POOL) | An Tonfall und Inhalt seiner gut 70-minütigen Rede war zu erkennen, dass er nicht vorhat, in knapp zwei Jahren das Weiße Haus zu räumen, eine abermalige Präsidentschaftskandidatur erscheint nach Dienstagabend ...

Das Adjektiv „kämpferisch“ fasst Joe Bidens Ansprache vor dem amerikanischen Kongress am besten zusammen. „Erledigen wir den Job“, wiederholte der US-Präsident fast ein Dutzend Mal in seiner „Rede zur Lage der Nation“. Und auch wenn Biden, wie es Amtsinhaber zu diesem Anlass traditionell tun, im Wesentlichen die eigenen Erfolge pries und mit den politischen Inhalten kaum für Überraschungen sorgte: Diese Rede war doch einzigartig.

Buhrufe, Pfiffe, Gegenrede

Was sich am Dienstagabend in der Kammer des Repräsentantenhauses in Washington abspielte, vermittelte zeitweise den Eindruck von Improvisationstheater. Der Grund: Biden ging die Republikaner an mehreren Stellen hart an, was diese zu Buhrufen, Pfiffen und spontaner Gegenrede animierte. Der Höhepunkt des Theaters mochten die Rufe der Abgeordneten vom äußersten rechten Rand, Marjorie Taylor Greene, gewesen sein. Er sei ein „Lügner“, unterstellte sie dem Präsidenten, nachdem dieser den Republikanern vorgehalten hatte, die Sozial- und Krankenversicherung der Bürger zu gefährden.

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Insgesamt war an der hitzigen Atmosphäre im Kongress spürbar, wie tief die Gräben zwischen den beiden Parteien inzwischen sind. Darüber konnten auch Bidens wiederholte Beteuerungen nicht hinwegtäuschen, er sei durchaus offen für parteiübergreifende Kooperation. Zwar betonte er, wie schon so oft, er wolle das Land einen. Es blieb jedoch bei diesen mantraartigen Worten. An konkreten Projekten, die dem überparteilichen Zweck dienlich sein könnten, mangelt es Biden.

Auch mit der Liste der Ehrengäste, die sich an der Seite von Bidens Frau Jill im Repräsentantenhaus eingefunden hatten, sendete der demokratische Amtsinhaber deutliche Signale an die Progressiven in der Partei. So befand sich unter ihnen ein Aktivistenpaar für die gleichgeschlechtliche Ehe sowie eine Frau, die trotz Komplikationen während ihrer Schwangerschaft im konservativen Bundesstaat Texas nicht abtreiben konnte. 

Biden befindet sich in einer prekären Lage

Und auch wenn Biden es nicht explizit erklärte: An Tonfall und Inhalt seiner gut 70-minütigen Rede war zu erkennen, dass er nicht vorhat, in knapp zwei Jahren das Weiße Haus zu räumen, eine abermalige Präsidentschaftskandidatur erscheint nach Dienstagabend wahrscheinlicher denn je. 

Aber Biden befindet sich in einer prekären Lage: Da wäre zum einen die Affäre um geheime Regierungsdokumente, die in Büros und an Wohnsitzen des Präsidenten gefunden wurden, und die ihn weiter belasten dürfte. Darauf ging Biden in seiner Rede selbstverständlich nicht ein. Und auch ein von Kritikern schon lange vorgebrachter Punkt offenbarte sich wieder in aller Deutlichkeit: Bidens Alter. Trotz des betont kämpferischen Auftretens bot der 80-Jährige dank mehrerer rhetorischer Aussetzer Angriffsfläche. Auch deshalb wünschen sich viele in der eigenen Partei 2024 einen anderen Kandidaten, wie jüngste Umfragen belegen. 

Doch Biden, der am Ende einer zweiten Amtszeit 86 Jahre alt wäre, will davon offensichtlich nichts wissen. Er ist fest entschlossen, „den Job zu erledigen“.  

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