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Auf Islamisten gezielt, alle Religionen getroffen

Die geplante Strafrechtsreform der österreichischen Regierung trifft nicht die Terrornetzwerke, verwundet aber das Staat-Kirche-Verhältnis. Ein Kommentar.
Kardinal Christoph Schönborn mit Bundeskanzler Sebastian Kurz
Foto: Florian F. Feuchtner | Nach dem Terroranschlag in Wien versammelten sich die Spitzen von Staat und Religionen – im Bild Kardinal Schönborn mit Kanzler Kurz – im Wiener Stephansdom.

Es gibt einen Grund, weshalb Scharfschützen Präzisionsgewehre verwenden, keine Schrotflinten. Im Kampf gegen den gewaltgeneigten Flügel des radikalen Islam verwechselt die österreichische Regierung Waffen und Munition: Statt mit maximaler Präzision gegen die ideologischen Hintermänner terrorbereiter Salafisten und anderer Gefährder vorzugehen, zielt sie mit der Schrotflinte auf alles, was aus staatlicher Sicht extremistisch sein könnte in jedweder Religion.

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Dringender Kampf gegen Terror und Hass

Eigentlich hatte die ÖVP dem „politischen Islam“ den Kampf angesagt, und der Terroranschlag vom 2. November hatte schreckenserregend klar gemacht, wie dringend dieser Kampf des Rechtsstaats gegen Terror und Hass ist. Weil aber der Ausdruck „politischer Islam“ zu unbestimmt und für viele Muslime einseitig kränkend sein könnte, nimmt die Regierung jetzt alle Religionen ins Visier. Statt einen schwammigen Begriff zu präzisieren, statt den Feind der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit glasklar zu definieren und zielgenau ins Fadenkreuz der Strafverfolgung zu nehmen, geschieht das Gegenteil: Jede „religiös-motivierte extremistische Verbindung“ muss künftig mit der Keule des Strafrechts rechnen.

Doch was genau sind „religiös-motivierte extremistische Verbindungen“? Mit welcher Kompetenz entscheidet der säkulare Staat, welche Form der Religionsausübung gemäßigt und welche extremistisch ist? Und warum müssen sich 16 anerkannte Religionsgesellschaften jetzt unter Generalverdacht stellen lassen, wenn es eine reale Gewalt- und Terrorgefahr ausschließlich von Seiten jener Fanatiker gibt, die sich selbst für besonders eifrige Muslime halten?

Regierung wird ihr Ziel verfehlen

Präziser, nicht etwa breiter hätte die Regierung ihre Definition fassen müssen, wenn sie die Hetzer und Hintermänner der Terror-Szene ins Fadenkreuz bekommen möchte. Kein orthodoxer Jude, kein frommer Evangelikaler und kein strenger katholischer Orden gefährdet die Staats- und Rechtsordnung in Österreich – und schon gar nicht das Leben von Menschen. Mit ihrer geplanten Strafrechtsverschärfung wird die Regierung ihr Ziel verfehlen, aber dem Verhältnis von Staat und Religionen Schaden zufügen.

Lesen Sie eine ausführliche Analyse zum neuen Anti-Terror-Paket in Österreich in der kommenden Ausgabe der „Tagespost“

Themen & Autoren
Stephan Baier Islamisten Muslime Salafisten Österreichische Volkspartei

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