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Alleine kann Selenskyj nicht siegen

Jetzt liegt es ganz am Westen, ob die Ukraine überlebt oder Wladimir Putin siegt.
Porträt von Wolodymyr Selenskyj
Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur (www.imago-images.de) | Der ukrainische Präsident hat seinen Siegesplan vorgelegt.

Wladimir Putin hat mehrfach öffentlich klargestellt, dass eine faktische Kapitulation der Ukraine aus seiner Sicht die Voraussetzung für Friedensverhandlungen ist. Was also konnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj anbieten? Ein ukrainischer Friedensplan, der auf der Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Ukraine, auf der Freiheit und Selbstbestimmung seiner Bürger besteht, wäre von Moskau ohnehin abgeschmettert und verhöhnt worden.

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Ehrlicherweise spricht Selenskyj deshalb seit Wochen nur mehr von einem „Siegesplan“. Allerdings besteht dieser Sieg der Ukraine schlicht darin, zu überleben. Niemand in Kiew möchte russisches Staatsgebiet erobern oder die Armee der Russischen Föderation vernichten. Aber die Ukraine will als freies und geeintes Land überleben – ungeachtet aller „Kompromissvorschläge“, die suggerieren, man könne den russischen Eroberer vielleicht mit Gebietsabtretungen zufriedenstellen und mit völliger Wehrlosigkeit befrieden.

Freiheit und Sicherheit gibt nur die NATO

Der „Siegesplan“, den Selenskyj am Mittwoch im ukrainischen Parlament in Kiew präsentierte und heute mit den Spitzen von EU und NATO diskutiert, setzt auf den NATO-Beitritt des Landes. Die Ukraine, die 2014 von Russland überfallen wurde und sich seit 2022 einem umfassenden Vernichtungskrieg ausgesetzt sieht, weiß, dass sie alleine weder jetzt noch später überleben kann. Sie braucht die militärische Solidarität der stärksten Staatengemeinschaft, um im Schatten eines aggressiven Imperiums in Freiheit und Sicherheit leben zu können. Das westliche Zögern zeigt jedoch, dass offenbar bis heute nicht alle im Westen verstanden haben, dass Wladimir Putin die westliche Zurückhaltung bei den ukrainischen NATO-Ambitionen 2014 geradezu als Einladung zum Überfall verstand und sich noch heute Hoffnungen auf Beute macht.

Weder die Friedfertigkeit noch die Wehrlosigkeit der Schafe hält die Wölfe ab, sondern nur die Wehrhaftigkeit der Hirten und ihrer Hunde. Die Ukraine braucht deshalb heute Waffen zur Sicherung ihres Luftraums und zur Zerstörung der russischen Angriffsinfrastruktur hinter der Grenze, und morgen den NATO-Beitritt und damit die Einbindung in eine kollektive Sicherheitsarchitektur. Die Bitte um Langstreckenwaffen zielt nicht darauf, russische Städte in ähnlicher Weise zu zerstören, wie das Russland seit 24. Februar 2022 in der Ukraine tut. Aber die Ukraine muss in die Lage versetzt werden, das russische Angriffspotenzial auf russischem Gebiet zu treffen. Vor allem der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz steht hier mit beiden Beinen auf der Bremse.

Kein Preis ist zu hoch

Selenskyjs Siegesplan spiegelt die Verzweiflung eines Präsidenten, der weiß, dass das Überleben seines Landes auch eine Frage der Zeit ist. Gerade angesichts des unmittelbar bevorstehenden, dritten und härtesten Kriegswinters. Darum – und weil er den Egoismus seiner Partner im Westen kennt – bekennt Selenskyj offen, dass ihm für das Überleben der Ukraine in Freiheit kein Preis zu hoch ist. Er bietet dem Westen „Metalle im Wert von Milliarden US-Dollar, darunter Uran, Titan, Lithium, Graphit und andere strategisch wertvolle Ressourcen“ an. Lieber verkauft die Ukraine ihre Ressourcen an den Westen als sie von Russland stehlen zu lassen.

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Stephan Baier Olaf Scholz Vernichtungskriege Wladimir Wladimirowitsch Putin Wolodymyr Selenskyj

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