Alle Jahre wieder in Frankreich: Generalstreik. Heute machen die französischen Gewerkschaften erneut gegen die Rentenreform von Präsident Macron mobil, und das Land steht still. Mit der dringend notwendigen Heraufsetzung des Renteneintrittsalters - von 62 auf 64 Jahre - wagt sich Macron an eine heilige Kuh, die noch keine Vorgängerregierung zu schlachten wusste.
Mehr Rentner, weniger Beitragszahler
Der deutsche Michel schüttelt beim Gedanken an einen Generalstreik entweder ungläubig den Kopf über so viel Unvernunft, oder er lässt sich, der eigenen politischen Trägheit traurig bewusst, zu einem anerkennenden Nicken über so viel Revolutionsgeist hinreißen. Immer jedoch im wohligen Bewusstsein, dass es bei den Franzosen mit ihrer Begeisterung für ineffizienten Staatsdirigismus und das gute Leben wirtschaftlich stets etwas schlechter läuft als bei uns. Dem Treiben im Nachbarland können wir also amüsiert gelassen zusehen, oder nicht?
Wohl kaum. Die deutschen Rentenkassen sind nur unwesentlich gesünder als die französischen, plagt sie doch das gleiche Problem: Dank dem sogenannten „Umlagesystem“, durch das eingezahlte Rentenbeiträge direkt wieder ausgezahlt werden, und der erfreulichen Tatsache, dass die Menschen immer älter werden, während sie gleichzeitig - weniger erfreulich - immer weniger Kinder bekommen, stehen immer mehr Rentnern absehbar immer weniger Beitragszahler gegenüber.
Die "Aktienrente" ist ein Schritt in die richtige Richtung
Doch gegenüber dem Programm der Bundesregierung wirkt noch Macrons Reförmchen wie ein großer Wurf. Zwar versucht die FDP, die dabei noch gegen den Widerstand ihrer Koalitionspartner anarbeiten muss, wenigstens, mit der „Aktienrente“ einen Schritt in die richtige Richtung eines „kapitalgedeckten“ Systems zu gehen. Nur wenn die Ersparnisse einer alternden hiesigen Bevölkerung in der Weltwirtschaft angelegt werden, können sich künftige Rentenempfänger Hoffnung auf ein adäquates Altersauskommen machen.
Doch mindestens für die jetzt in Rente gehenden Babyboomer gilt: „Too little, too late“. Die mickrigen zehn Milliarden, die Finanzminister Lindner in einen Rentenfonds legen will, werden ihre Renten nicht mehr stabilisieren können. Eigentlich müsste es jetzt darum gehen, die Babyboomer noch möglichst lange im Erwerbsleben zu halten. Politisch ist das auch hier nur schwer durchzusetzbar, weshalb die Bundesregierung es gar nicht erst versucht. Doch der Diskussion über eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters wird sich auch Deutschland nicht ewig entziehen können.
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