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Patronatsfest von Santa María di Stella Maris: Ein Fest für alle Religionen

Auf der Mittelmeerinsel Sardinien lockt das katholische Leben. So wie in Porto Cervo an der Costa Smeralda. Zum jährlichen Patronatsfest von Santa María di Stella Maris hat auch das Interreligiöse Hochkonjunktur.
Kirche Santa Maria an der Costa Smeralda
Foto: Sabine Ludwig | Die kleine katholische Kirche Santa Maria, hier vor dem Hintergrund des blauen Meeres, ist eines der schönsten Wahrzeichen des Küstenabschnitts der Costa Smeralda.

Katholizismus gehört auf Sardinien zum Leben. Das ist Tradition. Fast jeder der rund eineinhalb Millionen Einwohner bezeichnet sich als gläubig. Doch immer weniger Menschen gehen an Feiertagen in die Messe. So wie Renzo Muzzu, der zwar an Gott glaubt, aber wenig Interesse an der Liturgie hatte. Zumindest war das früher so. Doch während der Jahre hat ihm etwas gefehlt. Jetzt hat er es gefunden. Dank eines Freundes, der ihn mit seinem Hobby begeisterte. Seit drei Jahren ist Muzzu die Bass-Stimme im zwölfköpfigen Kirchenchor der Gemeinde Santa María di Stella Maris in Porto Cervo. „Als Sänger bin ich in den Gottesdiensten aktiv dabei. Das war es, was ich immer vermisst habe, egal ob ich nun auf sardisch, lateinisch oder italienisch singe.“

Er zeigt auf die kleine katholische Kirche vor dem Hintergrund des blauen Meeres, eines der schönsten Wahrzeichen des Küstenabschnitts der Costa Smeralda. Zudem zeichnet das 1968 fertig gestellte Gotteshaus zwei Besonderheiten aus: Erstens wurde sein Bau von einem Moslem in Auftrag gegeben. Zweitens ist es das Paradebeispiel für den vom Oberhaupt der Ismaeliten kreierten neosardischen Baustil.

Das Ave Maria gefällt mir am besten.“ Renzo Muzzu

Gesungen hat Renzo Muzzu schon sein ganzes Leben. „Sehr gerne sogar, aber meistens eben nur unter der Dusche“, lacht der 63-Jährige. Stolz zeigt er auf die Videos seines Smartphones. „Das Ave Maria gefällt mir am besten.“ Er deutet auf den kurzen Weihnachts-Clip. Natürlich ist der Chor an Ostern mit dabei, singt während der Prozession, auf der Via Dolorosa, dem Leidensweg Christi. Auch diesen Film hat der Sarde auf seinem Handy. Im Vorbeigehen grüßt er einen Kollegen, ruft ihm zu: „Bis Montag, 18 Uhr!“ Einmal, manchmal auch zweimal wöchentlich, je nachdem, welches Ereignis ansteht, gibt es Chorproben. Später am Abend trifft er ein junges Paar mit Kinderwagen auf der Piazza in der Ortsmitte. Sie grüßen sich. „Auf ihrer kirchlichen Hochzeit habe ich gesungen!“

Bootsfahrt mit Gottesmutter

Jetzt muss häufiger geprobt werden. Anlass ist das jährliche Patronatsfest von Santa María di Stella Maris am 28. August. Einheimische und Gäste aus aller Welt werden kommen, egal, welcher Religionsgemeinschaft oder Nationalität sie angehören. Denn eines ist allen gemein: Die Schönheit der Landschaft und die Toleranz, die das Zusammensein prägen, zu feiern. „Nach der Predigt werden wir traditionelle kirchliche Lieder singen“, sagt der Ingenieur. Anschließend wird die Statue der Gottesmutter auf ein Schiff getragen und hinaus aufs Meer gefahren, gefolgt von unzähligen weiteren Booten. Dabei ertönen Schiffshörner und Glockensignale. „Eine sehr schöne Stimmung“, beschreibt es der in der nahen Kleinstadt Arzachena geborene Muzzu. Nach ein paar Stunden auf dem Meer wird die Heilige wieder in das Kirchlein zurückgebracht. Dann gehört das Fest ganz dem Leib und der Seele der Besucher. Es wird gegrillt, Pasta gegessen und lokaler sardischer Wein getrunken. „Alles ist kostenlos, Spenden zugunsten der Kirche und dem Chor sind erwünscht“, ergänzt der Sarde.

Muzzu kommt aus einer katholisch geprägten Familie. Sein Onkel Vittorio gehörte bis zu seiner Pensionierung dem Tribunal im Vatikan an. Als Rentner sei auch er zurückgekehrt in die Heimat, wohne im nahen Palau. „Die Stimme des Blutes! Die meisten Sarden im Ausland kommen wieder in die Heimat zurück“, ergänzt der begeisterte Radsportler. Auch der mittlerweile 90-jährige Onkel gehörte als junger Mann einst zum Kirchenchor in der Provinzhauptstadt Sassari. „Es gefällt ihm schon sehr, dass sein Neffe den gleichen Weg einschlägt.“

Unkontrollierter Bauboom ist ausgeschlossen

Man kennt sich in den kleinen Orten an der Costa Smeralda im Nordosten Sardiniens. Wenige Meter unterhalb der Kirche liegt die weiße Villa des Karim Aga Khan, der Anfang der 1960er Jahre das noch unberührte Fleckchen Erde mit seinen traumhaften Buchten, den schneeweißen Stränden und dem türkisfarbenen Wasser entdeckte. Gemeinsam mit einer Clique junger Leute auf einem Segelboot war der von seinen Anhängern auch „Halbgott der Ismaeliten“ genannte Khan unterwegs und hat diese Bilderbuchlandschaft vom Meer aus gesehen. Die Küste war damals fast menschenleer, weil die Sarden als Hirten und Bauern im Binnenland der Insel lebten. Der reiche Fürst erwarb rund 30 Quadratkilometer Land mit 55 Kilometern Küste und erschuf die "Costa Smeralda" als geschützte Marke.

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Sein Ziel war es, eine touristische Entwicklung aus einem Guss zu planen und zugleich die Schönheit der Landschaft zu erhalten. Das ist ihm gelungen. Noch heute wird das Prinzip der Nachhaltigkeit hier par excellence gefeiert: Obwohl die Hotels und Grundstücke des Aga Khans inzwischen längst verkauft wurden, traut sich niemand, die Küste und ihre Kultur, wie an anderen Urlausorten üblich, rücksichtslos zu kommerzialisieren. Bis in die Gegenwart hinein dürfen alle Bauten die Hügel der Gegend nicht überragen. Neue Anlagen nahe am Meer sind verboten. Schutz bietet vor allem die eingetragene Marke "Consorzio Costa Smeralda", der sich jeder Immobiliar zu beugen hat. Ein unkontrollierter Bauboom ist somit ausgeschlossen.

Muzzu stimmt „O sole mio“ an. Es sind nicht nur Kirchenlieder, die ihn begeistern. „Am liebsten aber singe ich traditionelle Lieder auf Sardisch“, gibt er zu. Denn auf der Insel werden auch heute noch viele Folklore-Feste gefeiert. Die haben bei Jung und Alt einen hohen Stellenwert. „Volkstanzgruppen sind gerade bei Jugendlichen wieder sehr beliebt. Dabei werden die Trachten der Großeltern mit Stolz getragen“, ergänzt er, für den das Singen ein wunderschönes Hobby bleibt. „Ich habe meine Erfüllung in den Liedern gefunden!“

Tradition trifft Moderne

Auch in diesem Sommer werden sie wieder hier logieren. Auf ihren Yachten oder in den versteckt gelegenen Villen: Der russische Milliardär Roman Abramowitsch, Tom Cruise vielleicht, Hauseigentümer Wladimir Putin, Mitglieder des englischen Königshauses, der frühere Formel 1-Teamchef Flavio Briatore sowie Stars und Sternchen aus aller Welt. Einige von ihnen werden wohl kommen zum Kirchenfest nach Porto Cervo. Doch wollen sie unerkannt bleiben, einfach ganz normale Teilnehmer sein. Ihr Wunsch wird hier respektiert. Nicht nur der Gottesmutter sind alle Gäste willkommen, egal ob sie arm, reich oder berühmt sind. Die Sarden sind an Prominente gewöhnt, aber man redet nicht über sie. Denn viel wichtiger ist, dass die Madonna einen schönen Ausflug aufs Meer hat und wieder heil ins Kirchlein zurückgebracht wird.

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