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Kiewer Höhlenkloster: Alter Bau in neuem Glanz

Das Höhlenkloster in Kiew ist eine der interessantesten Sehenswürdigkeiten der ukrainischen Hauptstadt. Vor dem russischen Angriffskrieg war das Heiligtum für die ukrainisch-orthodoxen Christen der Metropole das Zentrum des religiösen Lebens.
Kiewer Höhlenkloster st eine der interessantesten Sehenswürdigkeiten der ukrainischen Hauptstadt
Foto: Imago Images

Die Entstehung des Höhlenklosters ist auf engste mit der Einführung des Christentums 988 in der Kiewer Rus verbunden – jenem mittelalterlichen Großreich, das als Vorläuferstaat von Russland, Ukraine und Belarus gilt. Die Gründung des Höhlenklosters fällt auf das Jahr 1051. 1013 ließ sich der Einsiedler Antonij nach seiner Rückkehr aus den Klöstern in Griechenland, zusammen mit dem Mönch Feodosij nieder und gründeten 1051 ein orthodoxes Kloster. Ursprünglich wohnten die Mönche in Höhlen die zum Teil heute noch zu besichtigen sind. Daher stammt der Name des Klosters.

Im ausgehenden 11. Jahrhundert erfolgte der erste Bau der Maria-Himmelfahrt-Kathedrale. 1688 erhielt es von der Zarenregierung den Status einer „Lawra“, eine hohe Auszeichnung die nur wenigen Klöstern im orthodoxen Russland zuteil wurde. Als letzter großer Kirchenbau entstand 1893–95 das Refektorium. Nach der Russischen Revolution und den Wirren des Bürgerkriegs wurde das Höhlenkloster unter der jungen Sowjetmacht 1926 in ein staatliches Museumsreservat umgewandelt. 1990 wurde der über 144 Gebäude umfassende Komplex des Kiewer Höhlenklosters in die Liste UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen.

Haupteingang im Heiligen Tor

Der Haupteingang zur Lawra befindet sich im „Heiligen Tor“. Früher glaubten orthodoxe Christen, dass sie von Gott Vergebung für ihre Sünden erhielten, wenn sie durch das Tor gingen. Falls jemand plötzlich stolpert, heißt es, dass dieser so viel Sünden begangen hat, dass sie ihn nach unten ziehen. Die Torkirche der Dreifaltigkeit gilt als die älteste erhaltene Kirche des Klosters. Sie wurde im 12. Jahrhundert von Fürst Swjatoslaw gestiftet, der sich später unter dem Namen Nikolaus der Heilige ins Kloster zurückzog. Besucher betrachten, bevor sie durch die Torkirche treten, die Wandmalereien an der Fassade und schreiten schließlich unter den Blicken des lehrenden Christus, der ihnen die Bibel entgegenhält, ein.

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Das Klostergelände liegt am hügelig aufragenden Westufer des Dnepr südlich des heutigen Stadtzentrums von Kiew. Der große von Mauern umgebene Klosterkomplex teilt sich in die obere und die untere Lawra. In beiden Bereichen steht eine Vielzahl von kulturell bedeutenden Kirchen und Klöstern, in dem zum Teil Museen untergebracht sind. Das wichtigste Museum ist das „Museum der historischen Kostbarkeiten der Ukraine“. Hier wird Kunsthandwerk aus dem Gebiet der heutigen Ukraine ausgestellt. Zu den weiteren gehören das „Museum der ukrainischen Volkskunst“ und eine Ausstellung von Miniaturkunstwerken, die unter Lupen und Mikroskopen zu betrachten sind.

Mönchshöhlen bilden den Kern der Anlage

In der unteren Lawra befinden sich die Mönchshöhlen, die den historischen Kern der Anlage bilden. Die Klostergebäude selbst stammen allesamt aus unterschiedlichen Epochen, entstanden im Zeitraum vom 11. bis zum 19. Jahrhundert. In seiner langen Geschichte wurde das Höhlenkloster oft geplündert, zerstört und in Brand gesteckt. Nun, in Zeiten des Krieges und da die russische Armee versucht, die Stadt einzunehmen, ist diese Gefahr wieder einmal sehr akut geworden. Die durch Galerien verbundenen Obere und Untere Lawra erstrecken sich auf insgesamt 28 Hektar. Die Lawra, größte und wichtigste Klosteranlage in der Ukraine, zieht bis heute Mönche und Pilger und in Friedenszeiten natürlich Touristen an. Heute leben fast 100 Mönche im Kloster. In der Unteren Lawra befinden sich ein Wirtschaftsgebäude, eine Akademie sowie vier Kirchen. Im Gegensatz zu byzantinischen Klöstern erfüllte die Lawra auch weltliche Aufgaben. Es gab eine Schule, eine Klinik und ein Obdachlosenheim. Bedingt durch die Hügellandschaft, aber auch die großzügigen Grünflächen, ist die Obere Lawra besonders reizvoll. Hier befindet sich der beeindruckende, über 96 Meter große Glockenturm, bis heute der größte nicht nur in Kiew, sondern auch in der gesamten Ukraine und Russland.

Auf dem Glockenturm, der 62 Zentimeter in nordöstliche Richtung geneigt ist, steigen fast ausschließlich Touristen. Sein Bau, ein Werk des deutschen Architekten Johann Gottfried Schädel und erfolgte ab 1731. Er erhebt sich über den grünen Hügeln des rechten Dnjepr-Ufers. Von der dritten Etage, auf der die Glocken hängen, oder der vierten Etage des Turmes aus können Besucher in alle Richtungen blicken. Hoch über die Baumwipfel erhebt sich das Denkmal zum Gedenken der Gefallenen im Großen Vaterländischen Krieg, wie der Zweite Weltkrieg hier genannt wird.

Frauenstatue mit Schwert

Auf einem großen Betonsockel steht eine gut 40 Meter große Frauenstatue aus Aluminium mit einem erhobenen Schwert in der Hand. Die Blicke vom Turm schweifen über den Dnjepr, in die umliegenden Innenhöfe des Klosters, auf die Altstadt und auf die große und die vielen kleinen goldenen Kuppel der Sophienkathedrale, der Maria-Himmelfahrt-Kathedrale, der Dreifaltigkeitstorkirche, der Allerheiligenkirche, der Kreuzerhöhungskirche und der Gottesmutter-Geburtskirche auf dem Klostergelände am Fuß des Glockenturms.

Ein wahres Kleinod ist die genannte Maria-Himmelfahrtkathedrale, auch Uspenski-Kathedrale. Erbaut wurde sie im Jahre 1073 in der Epoche der Kiewer Rus im byzantinischen Stil und war lange Zeit bedeutendster Sakralbau Altrusslands. Während der deutschen Besatzung Kiews wurde das Bauwerk im Herbst 1941 gesprengt. Ähnlich der Dresdner Frauenkirche lag es jahrzehntelang in Trümmern und wurde erst in den Jahren 1998 bis 2000 rekonstruiert. Das prächtige Innere wird nur durch Hunderte von Kerzen erhellt, die die Gläubigen vor den Ikonen entzündet haben. Wenn der Krieg ein Ende gefunden hat, werden dort auch Touristen wieder ihre Kerzen anzünden.

 

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