Die bisherige Sichtweise der frühen Embryonalentwicklung, derzufolge die Zellen eines frühen Embryos zunächst undifferenziert seien und die Strukturbildung nach den ersten Zellteilungen – durch externe Faktoren angestoßen – wellenförmig aktiv werde, ist womöglich unhaltbar. Offenbar besteht von Anfang an ein kritisches Gleichgewicht zwischen „symmetrischen“ und „chiralen“ (spiegelbildlichen) Mustern. Das aber hieße: Vor aller Teilaktivitäten symmetrischer und chiraler Art muss, beginnend mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, ein koordinierendes „Ganzes“ als Grund vorausgesetzt werden.
Ordnung als geistiger Zusammenhang
Nach Ansicht des emeritierten Bonner Moraltheologen Gerhard Höver führt das Phänomen der Chiralität direkt zur Frage nach dem Ursprung des Lebens. Die Tatsache, dass die Natur fast nur linksdrehende Aminosäuren für die Erzeugung von Proteinen und für den Aufbau der DNA durchweg nur rechtsdrehende Zuckermoleküle verwendet, – diese hochselektive, einheitliche Chiralität (die sog. „Homochiralität“) gelte viele Wissenschaftlern als eines der größten Rätsel des Lebens und seiner Entstehung.
So stelle etwa der Chemiker Martin Quack die Frage, ob die Entstehung von Chiralität dieser besonderen Art nur ein kosmisches Zufallsprodukt sei oder ob dahinter eine Gesetzmäßigkeit im Sinne einer Ordnung stehe. Eine Ordnung sei für Quack aber ein geistiger Zusammenhang, der nicht aus bloßer Materialität hergeleitet werden könne und auf den die Naturwissenschaft als solche daher auch keine Antwort geben könne. Wie Quacks Bezugnahme auf Gen 1, 2 („Gottes Geist schwebte über dem Wasser“) deutlich mache, lasse sich aber nicht ausschließen, dass das Phänomen der Chiralität tatsächlich ein Hinweis auf jene kontinuierliche schöpferische Kraft Gottes sei, durch die Gott den Menschen vom Mutterschoß an „mit seinen Händen formt und gestaltet“.
Großes Schöpfungskino bestätigt Ratzinger
In seinem Beitrag für das Ressort „Glaube & Wissen“ führt Höver aus, wie die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge auch einen neuen Bezugs- und Verstehenshorizont für die in ethischer Hinsicht „provokative“ Instruktion der Glaubenskongregation über die „Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung“ (Donum vitae) bilden könnte, wie sie Joseph Kardinal Ratzinger 1987 vorgelegt habe. Vorab aller medizinischen, philosophischen und normativen Einzelfragen lieferten sie neue Argumente dafür, dass die Grundintuition von „Donum vitae“ richtig sei. Denn dort sei die genuine „Ganzheit“ treffend als „eine personale Gegenwart schon von diesem ersten Erscheinen eines menschlichen Wesens an“, begriffen worden, welches mit der Vernunft wahrgenommen werden könne (Donum vitae I, 1). DT/reh
Lesen Sie den ausführlichen Beitrag des emeritierten Bonner Moraltheologen Gerhard Höver in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".