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Ethik für Nachwuchs im Gesundheitsberuf

Fortbildung in der Ethik für angehende Ärzte, Hebammen, Pflegekräfte und Co.: Das Projekt „Young MedEthics“ vom Wiener Institut „IMABE“ startet bald in die zweite Kursreihe.
Schulung für Menschen in Gesundheitsberufen
Foto: TOMASZ TOMASZEWSKI | Was tun, wenn jemand sein Leben vorzeitig beenden möchte? „YoungMedEthics" schult junge Menschen in Gesundheitsberufen.

Die zweite Online-Kursreihe beginnt im Oktober, die erste Konferenz ist für Mai 2026 geplant: „Young MedEthics“ – das sind monatliche Ethikkurse für junge Menschen in Gesundheitsberufen. Initiiert vom Wiener „Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik“ (IMABE) sollen sie zusammen mit Expertenaustausch und Mentoring einen Kompass für die ethische Orientierung der Nachwuchskräfte bieten. Der Alltag im medizinischen Bereich sei stressig, oft bleibe nicht genügend Zeit, um sich mit auftauchenden Problemen auseinanderzusetzen, so IMABE-Direktorin Susanne Kummer. Im Interview mit der „Tagespost“ spricht sie über das speziell auf die junge Generation im Gesundheitsbereich des deutschsprachigen Raumes zugeschnittene Fortbildungsprojekt.

Frau Kummer, wieso braucht es „Young MedEthics“?

Die Medizin wird immer komplexer und herausfordernder. Mit der KI kommen völlig neue Technologien in den Gesundheitsbereich, parallel zur High-Tech erleben wir eine Hilflosigkeit im Umgang mit den Leidenden und Entscheidungsnot. Gleichzeitig sind die Jungen voller Ideale und wollen alles richtig machen. Da entstehen viele Belastungen und Druck. Wir haben gemerkt, dass jungen Fachkräften, die frisch in den Beruf einsteigen, ethisch kaum ausgebildet sind. Dafür gibt es Young MedEthics: gemeinsam reflektieren wir in Theorie und Praxis Situationen, benennen Probleme und geben ihnen damit einen Kompass mit, eine ethische Orientierung für ihre Berufe.

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Wie kam es dazu, die monatliche Kursreihe zu starten?

Im Gespräch mit Studierenden und Berufsanfängern in Medizin und Pflege zeigt sich oft ein Gefühl der Überforderung. Ein Beispiel: Eine junge Medizinstudentin absolvierte ihr Praktikum auf der Krebs-Ambulanz. Plötzlich fand sie sich mitten in einem „End-of-Life-Gespräch“ wieder, weil ein Patient nach schwerer Diagnose dringend reden wollte und niemand sonst da war. Die Studentin fühlte sich völlig überfordert, wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Studien wie jene von 2024 bestätigen das: Über 90 Prozent der Absolventen der MedUni Wien wollen besser auf ethische Entscheidungen vorbereitet werden, 66 Prozent fürchten ethische Dilemmata, vor allem am Lebensende. Wir sehen deshalb auch die hohen Drop-out-Raten. Junge, motivierte Menschen dürfen wir hier nicht im Regen stehen lassen: es braucht Angebote. Innerhalb kürzester Zeit hatten wir für den ersten Online-Kurs 60 Teilnehmer aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Südtirol. Dieses Echo hat uns wirklich überrascht und bestätigt: Der Bedarf ist riesig. Unsere Kurse stehen allen Interessierten unter 35 Jahre offen, beworben haben wir im DACH-Raum über die Ärztekammern, Universitäten und Social Media.

Auf welche Fragen, die in der Ausbildung zu kurz kommen, finden Nachwuchsmediziner bei Ihnen Antworten?

Bei Young MedEthics greifen wir konkrete Herausforderungen aus Medizin und Pflege auf. Fragen, die leicht zu Spannungen führen, sind etwa: Darf oder muss man eine begonnene Therapie, künstliche Ernährung oder Beatmung unter veränderten Bedingungen beenden? Soll eine risikoreiche Behandlung erfolgen, obwohl ihre Wirksamkeit unsicher ist? Welche Rolle spielt Vertrauen im Gespräch mit Patienten? Was heißt nach dem eigenen Gewissen handeln? Dazu kommen Themen wie Sterbewunsch, ethische Fragen am Lebensanfang, die Balance zwischen Patientenwünschen und medizinischer Vernunft, Forderungen nach Maximaltherapie ohne Nutzen, schwierige Gespräche im Team oder mit Angehörigen. Die Palette ist breit, da alle Fachrichtungen willkommen sind.

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Welche Situationen werden von den Jungen als besonders belastend empfunden?

Wir haben die 60 Teilnehmer von Young MedEthics befragt: Der Umgang mit dem Lebensende – das ist wirklich ein Top-Thema. Und auch: Wie kann ich selbst heil bleiben in diesem Beruf? Da ist jemanden mit einer schweren Krebserkrankung. Und niemand traut sich, mit ihm darüber zu sprechen, dass er in absehbarer Zeit sterben wird. Studien belegen das: 81 Prozent der Ärzte und Pflegenden fühlen sich nicht vorbereitete auf den Umgang mit sterbenden Patienten. Und was passiert dann? Es kommt zu einer Art medizinischem Aktivismus. Man versichert dem Patienten: „Wir tun noch alles Mögliche für Sie!“ und landet in einem therapeutischen Übereifer. Da werden dann Dinge gemacht, die gar nicht mehr unbedingt zum Nutzen des Patienten sind. Ein Grund dafür ist, dass man sich scheut, mit dem Patienten ein ehrliches Gespräch zu führen. Vielleicht, weil Ärzte und Pflegende selbst unsicher sind.

Auf welchem Menschenbild beruht die Arbeit Ihres Instituts?

Jede Ethik gründet auf einem bestimmten Menschenbild. Für uns ist das christlich-humanistische Verständnis leitend, weil es tragfähige Prinzipien bietet und diese auch begründen kann. Im Zentrum steht die unveräußerliche Würde jedes einzelnen Menschen – besonders in den verletzlichen Phasen seines Lebens.

Zu den Vortragenden bei „Young MedEthics“ zählen unter anderem der deutsche Medizinethiker Giovanni Maio und der Schweizer Psychiater Raimund Klesse, der sich seit Jahren kritisch mit dem assistierten Suizid auseinandersetzt. Wie kam es zur Programmgestaltung?

Da ist zunächst einmal unser junges Kernteam, das aus acht Jungärzten und Pflegefachkräften besteht. Die Themen haben wir dann gemeinsam erarbeitet. Schließlich sollen sie den echten Bedürfnissen der jungen Menschen entsprechen. Besonders gefreut hat uns die Resonanz in Expertenkreisen. Unsere Kooperationspartner sind in Österreich die Medizinische Universität Innsbruck und die Albert Schweitzer Kliniken Graz, in Deutschland die Fernuniversität Hagen und die Deutsche PalliativStiftung, in der Schweiz die Hippokratische Gesellschaft und die Klinik Gais. Alle waren unglaublich kooperativ. Viele haben IMABE schon gekannt und geschätzt, andere freuen sich, dass wir diese Initiative gestartet haben. Das beflügelt uns, das Projekt weiter auszubauen.

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Im Herbst 2025 startet der zweite Kurs von „Young MedEthics“. Themen wie Suizidassistenz, therapeutische Möglichkeiten bei Kinderwunsch und Demenz stehen auf der Agenda. Was ist Ihre Vision für das Projekt?

Wir möchten viele junge Menschen erreichen und sie befähigen, ethische Standards auch unter Druck und Belastungssituationen zu wahren. Geplant ist zudem eine „Ethik-Ambulanz“: ein niederschwelliges Mentoren-Angebot. Erfahrene Ärztinnen und Ärzte mit 40 Jahren Berufserfahrung, stehen auf dem Abstellgleis: Niemand fragt sie nach ihrem unglaublichen Wissensschatz, gleichzeitig suchen viele Junge in Gesundheitsberufen genau nach solchen Ratgebern. Wir sehen da eine große Chance, die Generationen zusammenzubringen – und freuen uns natürlich über jeden, der als Mentor zur Verfügung stehen möchte. Am 8. und 9. Mai 2026 findet die erste „Young MedEthics-Konferenz“ statt.

Foto: Stephan Schönlaub | IMABE-Direktorin Susanne Kummer.

Ich sage gern: Junge Menschen, die heute einen Beruf wählen, der sich ganz in den Dienst am Menschen stellt – das sind Diamanten. Und Diamanten lässt man nicht einfach herumkugeln, sondern kümmert sich um sie. Diese hochmotivierten Teilnehmer von Young MedEthics sind die Führungskräfte von morgen. Ich freue mich, wenn sie sich dort auch persönlich kennenlernen, sich vernetzen und in Zukunft einander stützen.


Der „Young MedEthics“ Online-Kurs für das Wintersemester 2025/2026 startet am 6. Oktober. Anmeldung und nähere Informationen unter www.youngmedethics.com und www.imabe.org. Das Projekt „Young MedEthics“ für den DACH-Raum ist spendenfinanziert.

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