Ab dem 17. Dezember werden bei uns zu Hause Weihnachtskugeln aufgehängt. Aber keine gewöhnlichen, sondern aus Papier gebastelte. Es sind die O-Antiphonen, die wir an den sieben Tagen vor Weihnachten an unseren Barbarazweig hängen. Die O-Antiphonen gehören zur Vesper des Stundengebets der katholischen Kirche. Dort werden sie an den Tagen vor Weihnachten – also in der sogenannten Oktav vor Weihnachten – unmittelbar vor dem Magnificat gesungen oder gesprochen. Es sind Anrufungen an Jesus, die ihren Ursprung im Alten Testament haben und uns in den letzten Tagen des Advents helfen, unser Inneres auf die Ankunft Christi auszurichten. Die O-Antiphonen gehören dabei zu den ältesten erhaltenen Adventstexten des westlichen Christentums und sind unter anderem auch in Manuskripten der Benediktiner aus dem achten Jahrhundert zu finden.
In jeder O-Antiphon wird Jesus mit einem anderen Namen betitelt: Weisheit, Herr, Wurzel Jesse, Schlüssel Davids, Morgenstern, König der Völker, Emmanuel. Jeder dieser Namen erzählt etwas über Jesu Wesen: „Weisheit“ bedeutet, dass er uns den Weg weist, der gut für uns ist und „Herr“, dass er uns führt und beschützt. „Wurzel Jesse“ erinnert uns daran, dass es schon von Beginn an einen großen Plan für Jesus gab und „Schlüssel Davids“, dass Jesus uns die Tür zum ewigen Leben öffnet. Der „Morgenstern“ ist unser Licht in der Dunkelheit, der „König der Völker“ ist gerecht und freundlich, und „Emmanuel“ zeigt uns, dass Jesus immer bei uns ist und uns nie verlässt. Durch diese Namen können wir erkennen, dass Jesus uns auf vielfältige Weise begleitet – als Lehrer, Helfer, König, Wegweiser, Freund.
Meinen Kindern erkläre ich, dass die O-Antiphonen sieben besondere Gebete sind, die Menschen schon seit 1400 Jahren beten. Wenn wir jeden Tag eine O-Antiphon beten oder singen, sagen wir damit: Jesus, komm in unser Haus, in unsere Familie und in unser Herz. Und das Besondere dabei ist, dass er antwortet: Denn wenn man die Anfangsbuchstaben der sieben Antiphonen rückwärts liest, steht da „Ero cras“ – das heißt: Ich komme morgen. Das ist Jesu Zusage: Wenn ihr mich ruft, bin ich da.
Eine kleine tägliche Andacht
Zu jeder O Antiphon kann man eine kurze Zeit innehalten. Hier ein Vorschlag dafür:
17. Dezember – O Sapientia (O Weisheit)
Gedanken: Wir nennen Jesus heute Weisheit. Das bedeutet: Er hilft uns zu verstehen, was gut ist. Wenn wir nicht wissen, was wir tun sollen, können wir ihn um Rat bitten.
Fragen: Wo brauchst du gerade Rat? Wo fällt es dir schwer, das Richtige zu tun?
18. Dezember – O Adonai (O Herr)
Gedanken: Heute erinnern wir uns: Jesus ist unser Herr und er führt uns wie ein guter Hirte. Er lässt uns nicht allein und zeigt uns den Weg, der gut für uns ist.
Fragen: Wann hast du heute Hilfe gebraucht? Wo merkst du, dass Jesus sich um dich kümmert und dein Herr ist?
19. Dezember – O Radix Jesse (O Wurzel Jesse)
Gedanken: Jesus hat einen großen Stammbaum – der aus einer tiefen Wurzel gewachsen ist. Aus einer kleinen Wurzel kann ein riesiger Baum wachsen. Gott lässt aus Kleinem Großes werden.
Fragen: Worin bist du schon gewachsen? Wo kannst du Jesus um Hilfe bitten zu wachsen?
20. Dezember – O Clavis David (O Schlüssel Davids)
Gedanken: Ein Schlüssel öffnet Türen. Jesus ist unser Schlüssel: Durch ihn lernen wir den Vater kennen. Durch ihn finden wir den Weg zum Himmel – schon jetzt, in unserem Alltag.
Fragen: Gibt es in dir eine „verschlossene Tür“ – etwas, das schwer ist, traurig, oder das du nicht zeigen magst? Bei welcher Tür wünschst du dir, dass Jesus sie für dich oder deine Familie aufmacht?
21. Dezember – O Oriens (O Morgenstern)
Gedanken: Jesus ist wie ein heller Stern: Er bringt Licht, wenn es dunkel ist – in der Welt und in unserem Herzen.
Fragen: Wo hast du heute Licht gesehen? In einer Tat oder einem Wort? Wo könntest du jemand anderem Licht bringen?
22. Dezember – O Rex Gentium (O König der Völker)
Gedanken: Jesus ist kein König mit Macht und Soldaten. Er ist ein Friedenskönig. Er möchte, dass alle Menschen gut miteinander leben.
Fragen: Was macht Jesus zu einem besonderen König für dich? Wo wünschst du dir, dass Jesus heute in deinem Leben „König“ ist – also dir hilft, sicher zu sein, mutig zu sein und gut zu handeln?
23. Dezember – O Emmanuel (O Gott mit uns)
Gedanken: Heute feiern wir: Gott ist nicht weit weg. Er ist bei uns – in unserer Familie, in unserem Alltag, in unserem Herzen. Wir sind niemals allein.
Fragen: Wo hast du heute gespürt, dass du nicht allein bist? Wie kann Jesus heute in deinem Haus spürbar werden?
O-Antiphonen selbst basteln
Unsere Weihnachtskugeln haben jeweils die verschiedenen „Rufnamen“ Jesu auf der Vorderseite und das kurze Gebet der O-Antiphonen auf der Rückseite. Es bietet sich aber auch an, jeder Antiphon ein Symbol zuzuordnen:
- Sapientia/Weisheit – Buch
- Adonai/Herr – Weg
- Radix Jesse/Wurzel Jesse – Wurzel
- Clavis David/Schlüssel – Schlüssel
- Oriens/Morgenstern – Stern
- Rex Gentium/König der Völker – Krone
- Emmanuel – Krippe.
Auch farblich kann man die Antiphonen schön gestalten. So verbindet man blau mit Weisheit und der damit verbundenen Ruhe und Klarheit, rot mit dem Herrn als eine Farbe der Stärke und Macht, Braun oder Grün mit der Wurzel Jesses als Zeichen der Natur und des Wachstums. Gold ist ein gutes Zeichen für den Schlüssel Davids, Gelb ein Symbol für den Morgenstern und das damit verbundene Licht, Lila die Farbe des Königs der Völker und seiner Majestät. Und schließlich ist weiß passend für Emmanuel, als Symbol des Friedens und der Nähe, aber auch für das in weiße Windeln gewickelte Kind, das in der Krippe liegt.
Zu guter Letzt ist es auch eine gute Idee, den jeweiligen Anfangsbuchstaben der Antiphonen für die Weihnachtskugeln zu wählen, denn dann kann man am Ende das „Ero Cras“ erkennen.
Beim Basteln und Beten komme ich mit meinen Kindern ganz natürlich ins Gespräch. Und ich merke dabei: Mit den O-Antiphonen warten wir nicht nur auf die Geburt Jesu an Weihnachten, sondern bereiten unsere Herzen auf seine Wiederkunft vor.
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