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Ehegattensplitting: Für immer „umstritten“

Aus der Agitation gegen das Ehegattensplitting spricht Ideologie – und der Wunsch nach höheren Einnahmen.
Familie mit Nachwuchs
Foto: IMAGO/Michael Gstettenbauer (www.imago-images.de) | Das Ehegattensplitting bietet Ehepaaren, die nicht identisch viel verdienen, einen gewissen steuerlichen Vorteil. Zementiert das "traditionelle Rollenmuster"? Nein.

Eines muss man Familienministerin Lisa Paus (Grüne) zugestehen. Mit ihren nebulösen bis kontrafaktischen Äußerungen zum Ehegattensplitting hatte sie Anfang der Woche mal wieder ein Thema gesetzt. Obwohl die von der Ampelkoalition beschlossene Abschaffung der Steuerklassen III/V dies definitiv nicht hergab, präsentierte Paus die Änderung als „Startpunkt“ für die Abschaffung des „veralteten Instruments“ des Ehegattensplittings.

Paus‘ Motivation? Unklar. Vermutlich ging es darum, nach der de-facto-Streichung des Lieblingsprojekts der Ministerin, der Kindergrundsicherung, ideologisch Boden gut zu machen. Und was käme da gelegener als ein Anlass, gegen die angebliche steuerliche Privilegierung der – welch Graus – „klassischen Ehe“ zu polemisieren? Ein Nebeneffekt: Dafür zu sorgen, dass das Ehegattensplitting als „umstritten“ wahrgenommen wird. Und als ein Instrument, das traditionelle Rollenmuster zementiere. Steter Tropfen höhlt den Stein.

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Angesichts dieser Diskursstrategie ist es wichtig, sich der Gegenargumente, von denen es viele gibt, zu erinnern. Um nur zwei zu nennen: Der Staat unterscheidet beim Splitting natürlich nicht zwischen Mann und Frau. Wer Allein- oder Mehrverdiener ist, entscheidet also allein das Paar. Dass so traditionelle Rollenmuster steuerlich begünstigt würden, ist also falsch. Wenn sich da   in der Praxis Paare für eine Arbeitsverteilung entscheiden, bei der der Mann mehr verdient, ist das eine freie Entscheidung nach eigener Präferenz, die der Staat letztlich auch gar nicht zu bewerten hat.

Es sollen einfach alle Vollzeit arbeiten

Freilich ist das Splitting bei ungleicher Aufteilung der Arbeitszeit ein steuerlicher Vorteil – der etwa für viele Familien schmerzhafte Einbußen bedeuten würde, wenn er denn wegfallen würde. Ist aber diese Privilegierung der Ehe falsch? Nein. Schließlich handelt es sich bei einer Ehe nicht um zwei Einzelpersonen, sondern um eine auch wirtschaftliche Gemeinschaft, bei der die Partner zudem nicht nur Vergünstigungen genießen, sondern auch Pflichten übernehmen. Sie steht nach dem Grundgesetz zudem unter dem „besonderen Schutz“ des Staates. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die gemeinsame Veranlagung der Eheleute inklusive Splitting wiederholt als sachgerechte Besteuerung bestätigt. 

Wenn also traditionelle Rollenmuster durch das Splitting gar nicht festgeschrieben werden, und auch das Splitting als solches sachlich gerechtfertigt ist – was motiviert dann die beständige Kritik daran, die ja nicht nur von solchen Politikern kommt, die eine absolute Gleichverteilung aller Einkommen als unbedingt erstrebenswert erachten, sondern immer wieder auch von Ökonomen?

Letztlich kommen hier finanzielle Motive zum Ausdruck. Es sollen einfach möglichst alle in Vollzeit arbeiten. Damit lässt sich das Wirtschaftswachstum erhöhen, was die Sozialkassen stabilisiert, und die Steuereinnahmen nach oben treibt. Dazu passt das Ehegattensplitting nicht, bei dem eine ungleiche Einkommensverteilung einen Vorteil darstellt. Auch wenn eine Abschaffung erstmal nicht ansteht: die Diskussionen über das Splitting werden wohl vor allem aus dem letztgenannten Grund nicht verstummen.

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Jakob Ranke Ehegattensplitting Kindergrundsicherung Lisa Paus

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