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Deutsche Lernresistenz

Während manche Länder bei jugendlichen Geschlechtsumwandlungen voll in die Eisen steigen, experimentiert Deutschland weiterhin mit dem Lebensglück junger Menschen.
Buchstabenwürfel mit Frau und Mann
Foto: Sascha Steinach (www.imago-images.de) | In Deutschland soll das geplante Selbstbestimmungsgesetz es Kindern ab 14 Jahren auch ohne Zustimmung der Eltern ermöglichen, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister durch eine einfache Erklärung beim ...

„Jeder hat das Recht, seine eigenen Fehler zu machen.“ Was auf das Individuum durchaus zutreffen mag, wird sträflich, wenn es zum gesellschaftlich-staatlichen Dogma erhoben wird. Denn dann bleiben Menschenleben auf der Strecke. Genau der Eindruck verfestigt sich, wenn man betrachtet, mit welch unkritischer Sorglosigkeit die Ampelkoalition „Geschlechtstransitionen“ für immer jüngere Menschen zugänglich machen will.

Und das, obwohl im Ausland – gestützt durch Langzeitstudien – Stimmen von Ärzten, Psychologen und Betroffenen immer lauter werden, die ein Umdenken verlangen: Die renommierte Karolinksa Universitätsklinik verschreibt aufgrund von Studienergebnissen zu Spät- und Nebenfolgen seit April 2022 keine Pubertätsblocker mehr an Jugendliche unter 16 Jahren. Gestern wurde bekannt, dass mit der Tavistock-Klinik die in Großbritannien einzige Klinik für Gender-Behandlungen an Minderjährigen zum Frühjahr geschlossen werden soll

Externes Gutachten lieferte verheerendes Ergebnis

Grund ist ein externes Gutachten, welches im März dieses Jahres ein für die Klinik verheerendes Ergebnis erbrachte: ein unkritischer transaffirmativer Behandlungsansatz, die sorglose Gabe von Pubertätsblockern an Kinder ab zehn Jahren, das Ignorieren weiterer psychologischer Probleme der Patienten wie Traumata oder Depressionen, eine lückenhafte Sammlung und Auswertung der Daten. 

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Während also das Ausland Lernfähigkeit beweist, stehen in Deutschland die Zeichen auf „Weiter so“ oder gar Intensivierung. Hier soll das geplante Selbstbestimmungsgesetz es Kindern ab 14 Jahren auch ohne Zustimmung der Eltern ermöglichen, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister durch eine einfache Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen. Die Erfahrung zeigt, dass auf die „soziale Transition“ in den meisten Fällen medizinische Schritte folgen. In Deutschland Pubertätsblocker können bereits ab etwa zwölf Jahren verschrieben werden, gegengeschlechtliche Hormone ab 16. Eine Aufklärung über irreversible Folgen wie Abnehmen der Knochendichte oder Unfruchtbarkeit erfolgt oft nur unzulänglich. 

Das „Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“ vom 2020 macht es Psychotherapeuten bereits jetzt fast unmöglich, eine Zwölfjährige mit einem „Transitionswunsch“ ergebnisoffen, also nicht trans-affirmativ, zu behandeln, ohne sich dabei strafbar zu machen. Andere Gründe für das körperliche Unwohlsein herauszufinden und zu bearbeiten – ein Trauma, eine Depression, Mobbing in der Schule, eine Autismus-Spektrum-Störung – das darf ein Therapeut nur, wenn dies ausdrücklich vom kleinen Patienten gewünscht ist. Dabei zeigen Studien, dass der größte Teil der wegen Geschlechtsdysphorie behandelten Jugendlichen mindestens eine Komorbidität wie Depression oder Autismus aufweisen. Eine Langzeitstudie der Universität Toronto von 2021 ergibt außerdem, dass minderjährige Betroffene, die keine Hormone erhalten, sich bis zu 90 Prozent im Erwachsenenalter mit ihrem biologischen Geschlecht aussöhnen. 

Sensible Begleitung und geschützte Räume nötig

In der pubertären Phase der Identitätsfindung, die die Geschlechtsidentität miteinschließt, brauchen junge Menschen sensible Begleitung und geschützte Räume, in denen sie ihre Fragen und Zweifel aussprechen können, ohne in Entscheidungen gedrängt zu werden, die sie möglicherweise ein Leben lang bereuen. Welches Kind oder welcher Jugendliche kann sich absolut sicher sein, in Zukunft nie den Wunsch nach eigenen Kindern zu verspüren? Welches Kind, welcher Jugendliche kann tiefgreifende Entscheidungen für sein Sexualleben treffen, oft noch bevor die erste sexuelle Erfahrung gemacht wurde? Mit einem massiven Drängen in eine immer frühere Transition mit irreversiblen körperlichen Folgen wird Kindern und jungen Menschen die Möglichkeit genommen, sich mit ihrem eigenen Körper auszusöhnen und sich so anzunehmen und zu lieben, wie sie sind.

Wenn schon wissenschaftlich fundierte Gutachten und Langzeitstudien systematisch ignoriert werden, dann sollten wenigstens die zaghaften Stimmen der Betroffenen, die eine frühe Transition bereuen, zu einem Umdenken bewegen. Anderswo geht das ja auch.

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