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Ludger Stühlmeyer: Klingende Rituale

Ein Porträt des Kantors und Komponisten Ludger Stühlmeyer.
Ludger Stühlmeyer mit einer Erzbischof Karl Braun
Foto: Archiv

Musiker sind besondere Menschen. Denn sie verschreiben sich ihrem Beruf, der immer auch eine Berufung ist, ganz und gar. Wenn es sich bei dem Tonkünstler noch dazu um einen Kirchenmusiker handelt, kann davon ausgegangen werden, dass man es mit einem für den Glauben engagierten, aktiv in der Verkündigung tätigen Menschen zu tun hat. So ist es auch bei dem Kantor, Komponisten und Musikwissenschaftler Ludger Stühlmeyer.

Geboren 1961 in Melle am Teutoburger Wald, begann er seine musikalische Laufbahn 1980 im Dekanat Grönenberg (Osnabrück), in dem bereits sein Großvater und sein Vater tätig waren. Seine musikalischen Wurzeln sind zweifelsfrei im familiären Kontext zu suchen, ist er doch mittlerweile Kirchenmusiker in der dritten Generation.

Vielseitige Talente

Wer sich für den Beruf des Kantors entscheidet, muss über eine vielseitige Ausbildung verfügen. Mehrfache Eignungen wie Instrumentalspiel, eine gute Stimme, die Fähigkeit zur Menschenführung, ein fundiertes theoretisches und pädagogisches Wissen und organisatorisches Talent werden gebraucht. Dienst und Freizeit eines Kantors unterscheiden sich völlig von der anderer Menschen. So stehen zum Beispiel alle Sonn- und Feiertage im Zeichen der Amtsausübung.

„Ein Musiker muss wie ein Schwamm sein und alles Mögliche in sich aufsaugen.“
Ludger Stühlmeyer

Seine musikalische Ausbildung begann Stühlmeyer im Alter von fünf Jahren am Konservatorium in Osnabrück bei Generalmusikdirektor Carl Schäfer. Am bischöflichen Kirchenmusikseminar legte er die erste Kirchenmusikprüfung ab. Anschließend setzte er das Kirchenmusikstudium an der Hochschule für Künste der Freien Hansestadt Bremen fort. Weitere Studien folgten an der gleichen Hochschule in den Fachbereichen Alte Musik und Gesang. Die Mitarbeit in der Opernfachklasse und das Hospitieren im Bremer Theater am Goetheplatz wirkten auf den angehenden Kantor horizonterweiternd, „ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte“, so Stühlmeyer, „ein Musiker muss wie ein Schwamm sein und alles Mögliche in sich aufsaugen“.

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Die Verarbeitung erfolgt später“. Eine spirituelle Heimat entwickelte sich im Kontakt mit Benediktinerklöstern wie Meschede, Maria Laach oder Eibingen. In Bremen entdeckte Stühlmeyer auch die Liebe zum Komponieren. Das Studium bei Günther Kretzschmar, der als Komponist in der musikalischen Arbeit mit Kindern Akzente setzte, prägte ihn. Weitere Studien folgten: So lernte er beispielsweise den französischen Komponisten Oliver Messiaen persönlich kennen. Wichtige Kompositionslehrer späterhin waren der Ostberliner Helge Jung und Karlheinz Stockhausen, einem der musikalischen Pioniere der Neuzeit.

Musik als ein klingendes Ritual

Wer Stühlmeyers Werke hört, singt, spielt und unter die wissenschaftliche Lupe nimmt, trifft auf eine grundlegende Eigenschaft, die sein Wirken ebenso durchdringt wie seine Werke sie hörbar und erfahrbar machen. Denn die Musik Ludger Stühlmeyers ist klingendes Ritual. Er wirkt als Musiker und Komponist in der Perspektive der Ewigkeit und setzt all das, was ihm begegnet, in genau diese im teleologischen Sinne zielführende Relation.

Das Grundmuster dieses Handelns, das sich in der Improvisation in einer Werktagsmesse ebenso entfaltet wie im Pontifikalamt und dem kompositorischen Oeuvre liegt in der benediktinischen Spiritualität, die dazu anleitet, Gott vor dem Angesicht der Engel zu singen und zu spielen.

Stühlmeyer ist stolz darauf, von Anfang an seinen Studienweg selbst finanziert zu haben. Ein Stipendium seines Heimatbistums war dabei hilfreich. Zugleich wirkte aber auch die feste musikalische Aufgabe praxisbildend und damit vorteilhaft. Im Sommer 1986 heiratete er. Seine Frau, die ebenfalls an der Hochschule für Künste studierte, war Assistentin des Bremer Kirchenmusikdirektors und Ludger Stühlmeyer Kantor einer Kirchengemeinde, die mit ihrem Pfarrgebiet in der östlichen Innenstadt am Europahafen liegt. Durch das Zusammenwirken mit dem Seemannspastor bekam der kirchenmusikalische Alltag ein ganz neues Gesicht. „Wenn man morgens von Hupen einlaufender Schiffe geweckt, die Kirche von Menschen aus aller Welt besucht wird und die Luft nach Becks Bier, Kaffeeröstereien und Nordsee duftet, ist das schon ein prägendes Ambiente“, so Stühlmeyer.

Durchdenken der Zeitläufe

Für einen neuen Lebensabschnitt verlegten die Stühlmeyers ihren Wohnsitz ins Münsterland, um in der „quietas studendi“ ein wissenschaftliches Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in den Fächern Theologie, Philosophie und Musikwissenschaft anzuschließen. In der Theologie prägten vor allem Arnold Angenendt und Klemens Richter, deren fundierte Lehre in Kirchengeschichte und Liturgiewissenschaft das Wirken des späteren Komponisten und Kantors wesentlich fundierten. Ein Leuchtturm hinsichtlich des gründlichen Durchdenkens der Zeitläufte und die Vermittlung der Gabe der Unterscheidung zog Stühlmeyer in die Seminare des renommierten Philosophen und Pieper-Forschers Berthold Wald. In der Musikwissenschaft promovierte er bei Winfried Schlepphorst, dem Leiter der orgelwissenschaftlichen Forschungsstelle.

Im Münsterland übernahmen Stühlmeyers zugleich eine Kantorenstelle, um eine neue Erfahrung im katholischen Land zu machen. In einem Landstrich mit 88 Prozent Katholiken, bei einer stetig wachsenden Kantorei mit etwa 150 Personen und einem Wochendurchschnitt von 20 Gottesdiensten forderte die Stelle einen hohen Arbeitseinsatz. Jedoch ließ sich die Aufgabe mit einem Studium kombinieren. Bei den bodenständigen Münsterländern, die, wie Stühlmeyer meint, „offenbar schon vor Christi Geburt katholisch waren“, gehörten beide bereits nach einem halben Jahr zum festen Inventar ihres neuen Lebensumfeldes. Seit 1994 ist Stühlmeyer Stadtkantor in Hof. Ebenso übt er das Amt des Dekanatskantors in Hochfranken aus und ist Dozent des Amts für Kirchenmusik Bamberg. Am Beginn seines Dienstes in Hof stand der Aufbau einer breiten Chorarbeit und die Restauration einer wertvollen Orgel in der Stadtkirche. Zudem entstand eine musikkulturelle Reihe mit Konzerten und Vorträgen.

Aufführungen in zahlreichen Ländern

Musik übt auch ökumenische Bindekräfte aus. So verband ihn in allen Stellen ein freundschaftliches Miteinander zu seinen evangelischen Kollegen. „Ginge es nach uns, könnte man sich an die Kirchentrennung nicht mehr erinnern“ ist der gemeinsame Konsens der Musiker. Man anerkennt aber zugleich gegebene theologische Unterschiede respektvoll. Anerkennung erfährt der Musiker auch selbst. Denn seine Kompositionen werden in zahlreichen Ländern aufgeführt. 2013 ehrte ihn der ACV Deutschland für seine hervorragenden künstlerischen und pädagogischen Leistungen.

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