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Die Basilika vom Heiligen Haus in Loreto

Das fliegende Haus der Madonna Loreto in den Marken ist der meistbesuchte Marienwallfahrtsort Italiens. Von Gerd Felder
Blick auf die Basilika vom Heiligen Haus in Loreto

Weit sichtbar überragt die Basilika von Loreto die Küstenebene der Marken, der Region im Nordosten Italiens. Über eine Million Pilger findet jährlich den Weg zur "Santa Casa", einem der meistbesuchten Wallfahrtsorte Europas.

Die Legende vom Heiligen Haus in Loreto

Die Anziehungskraft des Ortes in der Nähe der Adria ist nicht zuletzt durch die Legende zu erklären, die sich um den Urspung des Heiligtums rankt. Auch im deutschen Sprachraum gibt es zahlreiche Loreto-Kapellen, die dem Heiligen Haus der mittelitalienischen Stadt nachempfunden sind. Abenteuerlich klingt die Legende um dieses Haus schon: Im Heiligen Haus, der "Santa Casa", soll Maria geboren sein und Jesus seine Kindheit verbracht haben.

Im Jahr 1291 - so die gängige Überlieferung - , nachdem Nazareth in islamische Hände gefallen war, hoben vier Engel das "Heilige Haus" in die Lüfte und trugen es in Richtung Adria. Zunächst fand das Haus seinen Platz an der dalmatinischen Küste, wo man ihm aber nur geringe Aufmerksamkeit schenkte. Daraufhin, berichtet die Legende weiter, versetzten die Engel das Haus in die Nähe von Recanati, nur wenige Kilometer südlich von Loreto. Zwar kamen diesmal viele Gläubige, um das Haus gebührend zu bewundern, aber auch etliche Plünderer. Nun fand das Haus seinen neuen Standort im Garten zweier Brüder. Die gerieten über den Besitz an dem Himmelsgeschenk in heftigen Streit. Die Odyssee hatte ein Ende, als die Engel das Haus am 10. Dezember 1294 an seinen heutigen Standort brachten. Das ist die überlieferte Legende. Ob man ihr Glauben schenkt oder nicht, ist eine andere Frage.

Steine des "Heiligen Hauses" sind identisch mit denen der Felsgrotte von Nazareth

1920 jedenfalls hat die Kirche die Madonna der "Santa Casa" zur Schutzheiligen erklärt - sinnigerweise zur Patronin der Piloten. Und Wissenschaftler im Auftrag der Kirche haben inzwischen nachgewiesen, dass die Steine des "Heiligen Hauses" identisch mit denen der Felsgrotte von Nazareth sind, wo sich das Haus nach dem Bericht der Legende ursprünglich befunden haben soll. Ebenso gilt es als historisch gesichert, dass an besagter Stelle in Loreto vor dem 10. Dezember 1294 kein Gebäude zu finden war. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die "Santa Casa" zu Zeiten der Kreuzzüge ganz profan mit dem Schiff an diese Stelle gebracht wurde.

Ein kürzlich aufgefundenes Dokument vom September 1294 bestätigt, dass Niceforo Angelo, zu deutsch Engel, Beherrscher des Epirus, anlässlich der Hochzeit seiner Tochter Ithamar dem Bräutigam Philipp von Tarent, Sohn des Königs von Neapel, Karl II., von Anjou, verschiedene Geschenke übergab. Darunter werden besonders "die heiligen Steine, weggetragen aus dem Hause Unserer lieben Frau, der Jungfrau und Mutter Gottes" erwähnt. Klar ist, dass die Fracht nur aus drei Außenwänden bestand, da das Haus in Nazareth an der vierten Seite an die Felsgrotte angebaut war. Gewölbe und vierte Wand des Hauses wurden in Loreto im sechzehnten Jahrhundert hinzugefügt.

Basilika vom Heiligen Haus in Loreto

Heute birgt eine mächtige Basilika die "Casa Santa". 67 mal 97 Meter breit, ist sie im Renaissancestil gehalten und beruht auf einem Entwurf von Giovanni Boccalini, der die Arbeiten ab 1571 leitete; vollendet wurde die Fassade von Lattanzio Ventura im Jahr 1587. Die Kuppel der Basilika, nur halb so groß wie die Kuppel der Peterskirche in Rom, befindet sich direkt über dem "Heiligen Haus". In der Apsis befinden sich Kapellen von dreizehn verschiedenen Nationen, darunter auch Deutschlands.

Papst Benedikt XVI. im Heiligen Haus in Loreto
Foto: cns | Papst Benedikt XVI. im Heiligen Haus in Loreto.

Bedeutendstes Stück der Basilika ist natürlich die "Santa Casa" selbst, deren Marmorverkleidung von Papst Julius II. in Auftrag gegeben wurde. Bramante kam 1507 für diese Arbeit nach Loreto und fertigte einen Entwurf, der bis 1538 von Andrea Sansovino und anderen bedeutenden Künstlern vollendet wurde. Die Brüder della Porta schufen die zehn Sibyllen in den oberen Nischen der Marmorverkleidung und auch den Moses. Darüber hinaus sind auf der Verkleidung Szenen aus dem Leben Mariens und eine Darstellung vom Flug des "Heiligen Hauses" mit den Engeln zu sehen. Das Innere der "Casa" beherbergt die Statue der Madonna mit dem Kind, die nach einem Brand im Jahr 1921 allerdings nur noch in Nachbildung zu sehen ist.

Anziehungskraft für Pilger

Im "Heiligen Haus" herrscht Stille: Hier treffen sich die Pilger, um ihre Anliegen im Gebet vor die Muttergottes zu tragen und in Anbetung zu verharren. Zum Brauch der Pilger gehört es auch, das Haus auf Knien zu umrunden, wovon die glattgewetzten Steine um die "Santa Casa" Zeugnis ablegen.

Welche Bedeutung der Wallfahrtsort theologisch hat, erläutert Stefano d'Amico, der für die Führungen verantwortlich ist:

"Es ist zum einen das Heiligtum der Menschwerdung, weil es uns an die Ankündigung des Heiles und an die Menschwerdung des Sohnes Gottes erinnert. Dann ist es aber auch das Heiligtum des Heiligen Geistes, der auf Maria herabgekommen ist, so wie er dann auf die Kirche herabkommen wird, um den Heilsplan Gottes zu verwirklichen. Darüber hinaus ist er aber auch das Heiligtum der Familie, weil die Familie von Nazareth das Vorbild für alle christlichen Familien ist. Und nicht zuletzt ist er ein Heiligtum der Versöhnung, ganz im Sinne Papst Johannes Pauls II., der betont hat, dass hier jeden Tag unzählige Menschen das Sakrament der Versöhnung empfangen."

Neben der Basilika erhebt sich der Apostolische Palast (Palazzo Apostolico), den ebenfalls Bramante 1507 entworfen hat. Die schattigen Bogengänge im ersten Stock erlauben einen überwältigenden Blick auf die Piazza della Madonna mit Kirche, Glockenturm, Papststatue und Brunnen. Im ersten Stock des Gebäudes befinden sich auch das Museum und die Pinakothek mit umfangreichen Sammlungen, vor allem mit sieben Spätwerken von Lorenzo Lotto, der die letzten Jahre seines Lebens in Loreto im Kloster verbrachte. Und wenn aus der Basilika das uralte Pilgergebet "O heilige Jungfrau Maria, ich grüße dich in deinem Haus mit den Worten des Engels ,Sei gegrüßt, du Gnadenvolle, der Herr ist mit Dir'" herüberklingt, so stellt sich vor diesen Bildern eine unvergleichliche Stimmung ein.

 

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